Gebäudestudie: „Ein Weiter-wie-bisher reicht nicht“

Um die Klimaschutzziele bis 2050 im Gebäudesektor zu erreichen, ist eine Steigerung der Sanierungsrate auf mindestens 1,4 % nötig. Zudem muss mit Mehrkosten von 12 bis 20 % gerechnet werden. Zu diesen Ergebnissen kommt die Gebäudestudie der Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea), der Deutschen Energie-Agentur (dena) und weiterer Branchenverbände.

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    Andreas Kuhlmann, geea-Sprecher und Vorsitzender der dena-Geschäftsführung: „Im Vergleich zum Status quo müssten wir also die Sanierungsaktivitäten so schnell wie möglich um mindestens 40 Prozent steigern und dafür auch breite gesellschaftliche Zustimmung finden.“
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    In der aktuellen Gebäudestudie wurden unterschiedliche Pfade zur Erreichung der Klimaschutzziele 2050 miteinander verglichen und unter Aspekten wie Kosten, Energieimporte und Infrastrukturbedarf untersucht.

„Die Klimaschutzziele im Gebäudesektor lassen sich erreichen, aber dafür müssen wir uns erheblich mehr anstrengen und mehr einfallen lassen als bisher. Das technologische Potenzial dafür steht aber zur Verfügung“, stellte Andreas Kuhlmann, geea-Sprecher und Vorsitzender der dena-Geschäftsführung, Mitte Oktober bei der Vorstellung der Studie, klar. Nach seiner Ansicht spielt der Gebäudesektor „eine entscheidende Rolle in der Energiewende. Hier wird mehr Energie verbraucht als im Verkehr oder in der Industrie, hier wird auch ein Großteil der für die Energiewende insgesamt aufzuwendenden Investitionen aufgebracht werden müssen“. Gebäude werden für das Energiesystem immer wichtiger, indem sie Energie produzieren und speichern: „Um diese Potenziale zu erschließen, brauchen wir für den sehr heterogenen und kleinteiligen Gebäudesektor offene Technologiepfade, die Faktoren wie Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit und Akzeptanz seitens der Bevölkerung berücksichtigen“, betont Kuhlmann. Dafür müssten die bestehenden Politikinstrumente verbessert und neue entwickelt werden. „Dies betrifft beispielsweise die Ausweitung der Förderung oder die Intensivierung der Beratung. Die kommenden Koalitionsverhandlungen können dafür den Grundstein legen“, so der dena-Chef.

Das Verfehlen der Klimaschutzziele droht

In der Gebäudestudie wurde auf den gleichen Szenarien aufgebaut wie bei der kürzlich mit einem Zwischenfazit vorgestellten „dena-Leitstudie Integrierte Energiewende“, die Transformationspfade für alle Sektoren erarbeitet: Energieerzeugung und -verteilung, Gebäude, Industrie und Mobilität. Das Referenzszenario schreibt die heutigen Tendenzen fort. Es diente als Vergleichsgröße für zwei Alternativen: das Technologiemix-Szenario, das auf ein breites Spektrum an Technologien setzt, sowie das Elektrifizierungsszenario, das auf einen sehr starken Einsatz von erneuerbarem Strom im Wärmebereich abzielt.

Die Gebäudestudie zeigt, dass Deutschland bei einer Fortschreibung der heutigen Entwicklung seine Klimaschutzziele klar verfehlen würde. Der Gebäudesektor käme bis 2050 nur auf eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 67 % im Vergleich zu 1990. Beide Alternativszenarien erreichen dagegen die klimaschutzpolitischen Ziele der Bundesregierung und mindern die Emissionen um 80 bis 95 %. Tragende Elemente der zukünftigen Wärmeversorgung sind in beiden Szenarien die erneuerbaren Energien und die deutliche energetische Verbesserung der Gebäudehülle und der Anlagentechnik.

Steigerung der Sanierungsrate schwierig

Nach dem Elektrifizierungsszenario müssten bis 2050 jedes Jahr rund 2 % des gesamten Gebäudebestands in Deutschland saniert werden, um einen sehr breiten Einsatz von elektrischen Wärmepumpen zu ermöglichen. Im technologieoffenen Szenario würden dagegen 1,4 % reichen. Hier würden neben Strom für Wärmepumpen auch zunehmend gasförmige und flüssige Brennstoffe zum Einsatz kommen, die mit Hilfe von erneuerbaren Energien synthetisch erzeugt und hauptsächlich importiert werden. Dafür wiederum müssten rechtzeitig die entsprechenden nationalen und vor allem auch internationalen Märkte entwickelt werden.

„Wer die Entwicklung der letzten Jahre verfolgt hat, der weiß, dass selbst eine Sanierungsrate von 1,4 Prozent ein ambitioniertes Ziel ist“, betonte Kuhlmann. Technologische Lösungen und kompetente Anbieter gebe es genug. Auch an guten Vorsätzen auf Seiten von Politik und Wirtschaft mangele es eigentlich nicht. Trotzdem sei zuletzt nur rund 1 % pro Jahr erreicht worden. „Im Vergleich zum Status quo müssten wir also die Sanierungsaktivitäten so schnell wie möglich um mindestens 40 Prozent steigern und dafür auch breite gesellschaftliche Zustimmung finden. Wenn wir das schaffen, können wir sehr zufrieden sein“, so der dena-Chef.

Unterschiede bei Kostenbilanz und Energieverbrauch

Die geringere Sanierungsrate ist auch einer der Gründe, warum der technologieoffene Pfad in der Kostenbilanz deutlich günstiger ist als das Elektrifizierungsszenario. Er erfordert weniger Investitionen in Gebäudehülle und Anlagentechnik. Dagegen fallen die höheren Kosten für die Beschaffung der erforderlichen Brennstoffe weniger ins Gewicht. Im Vergleich zum Referenzszenario erreicht der technologieoffene Pfad die Klimaschutzziele für Mehrkosten von insgesamt 12 bis 14 %. Das Elektrifizierungsszenario kommt auf Mehrkosten von gut 20 %, heißt es weiter in der Gebäudestudie.

Deutliche Unterschiede weisen die beiden Szenarien auch bei der Entwicklung des Energieverbrauchs im Gebäudesektor auf. Die höhere Sanierungsrate, die die Elektrifizierung mit sich bringt, führt zu einer Senkung des Energieverbrauchs um gut 60 % bis 2050 im Vergleich zu 2015. Im Technologiemixszenario liegt der Wert bei rund 47 %, weil dabei weniger saniert wird. Trotzdem lassen sich auch hier die Klimaschutzziele erreichen, weil der Strom sowie die gasförmigen und flüssigen Brennstoffe mit Hilfe von erneuerbaren Energien erzeugt werden, heißt es aus Berlin. Hinzu kommt, dass im technologieoffenen Pfad der Strombedarf nicht so stark ansteigt. Die Fluktuation im Stromnetz ist dadurch geringer und es muss weniger gesicherte Leistung vorgehalten werden.

Technologieoffene Rahmenbedingungen

„Die Herausforderungen im Gebäudesektor sind komplex“, betonte Kuhlmann. Der dena-Chef ist überzeugt: „Das Energiesystem wächst immer mehr zusammen, Richtungsentscheidungen im Gebäudesektor haben auch Auswirkungen auf andere Sektoren und umgekehrt. Die Gebote der Wirtschaftlichkeit und des Wettbewerbs drohen verloren zu gehen, wenn wir versuchen, einzelne Technologien politisch zu steuern, anstatt technologieoffene Rahmenbedingungen mit klarem Fokus auf CO2-Vermeidung zu entwickeln“.

Die Ergebnisse der Studie „Szenarien für eine marktwirtschaftliche Klima- und Ressourcenschutzpolitik 2050 im Gebäudesektor“ können Sie hier online nachlesen.

www.geea.info

www.dena.de