Positionierung und Markt-Strategie im Handwerk

Eine Studierendengruppe des Studiengangs BWL unter Prof. Dr. Alexander Neumann führte Anfang 2020 eine Branchenbefragung durch und fasste die Ergebnisse zusammen. Daraus leitet sich eine klare Positionierung für Handwerksbetriebe ab, die auch in Zukunft Erfolg verspricht.

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    Diagramm: Positionierung Bau-Handwerksbetrieb
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    Tabelle: Aussagen Handwerk
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    Tabelle: Aussagen Großhandel

Parallel zum Aufkommen der Corona-Pandemie hat eine Studierendengruppe des Studiengangs BWL – Branchenhandel Bau, Haustechnik, Elektro der DHBW Mosbach (www.mosbach.dhbw.de/bhe) eine Befragung der Partner des dreistufigen Vertriebsweges zur Zusammenarbeit und zu den Erfolgsfaktoren vorgenommen. Die Ergebnisse wurden nachfolgend in zehn Fakten zusammengefasst. Am Ende des Beitrags finden Sie eine ausführliche Version von Prof. Dr. Alexander Neumann zum Download.

Fakt 1

Wichtig für das komplette Bauhandwerk ist eine klare, passende Positionierung am Markt optimal an- und eingebunden zu Kunden, Partnern und Lieferanten.

Bei Bau-Handwerksbetrieben ergeben sich folgende grundsätzliche Positionierungen:

  • Typ 1: Der „mobile Generalist“, der Kleinaufträge abwickelt und von der Mund-zu-Mund-Propaganda und günstigen Kostenstrukturen, sowie teilweise vom Arbeiten ohne Rechnung lebt.
  • Typ 2: Der Handwerker als „Subunternehmer“ (für Hersteller, DIY-Handel, Generalunternehmer, Architekten).
  • Typ 3: Der Spezialist, der sich stark auf einen besonderen Bereich fokussiert (z.B. PV-Anlagen mit Speicherlösungen, Flachdachspezialist, Wärmepumpen und Klimaanlagen, (ebenerdige) Duschen, Wärmedämmsysteme, …), häufig in Kooperation mit Partnern.
  • Typ 4: Der (gewerkorientierte) (Klein-) Handwerker in Kooperation mit einem oder mehreren Partnern (z.B. Herstellern, Großhandel, …) – also der meist kleinere klassische deutsche Handwerksbetrieb.
  • Typ 5: Der Fachhandwerker mit eigenem Marktauftritt (und eigener Ausstellung) sowie meist einem Auftreten als Generalunternehmer / Full-Service-Partner für Kunden – das ist der größere klassische deutsche Handwerksbetrieb.

Bei den fünf unterschiedlichen Typen gibt es Unterschiede im Hinblick auf die Fokussierung über den Preis oder die Wertschöpfung.

Allgemein gilt, dass der klassische deutsche Meisterbetrieb in einem intensiven Wettbewerb steht mit den vier anderen Modellen – siehe Diagramm.

Fakt 2

Der „Mobile Generalist“ (Typ 1) hilft dem DIY-Kunden und bedient preissensible Endkunden. Durch die Übernahme aller anfallenden kleinen Handwerksaufgaben wird er vielfach zum ersten Ansprechpartner für alle (kleinen) Reparatur- und Renovierungsaufgaben.

Ein zweites vom Handwerk bzw. den Handwerksorganisationen meist nicht gewünschtes Modell ist der Typ 2, der Unterauftragnehmer, welcher „eigentlich nicht selbständig“ am Markt auftritt, sondern seine Aufträge von einzelnen wenigen Kunden erhält, z.B. von Generalunternehmern, von Bau- und Gartenmärkten, von einem einzelnen Hersteller, welcher Installation und Service mit anbietet sowie keine eigenen Mitarbeiter beschäftigt.

Fakt 3

Wer den Endkunden gewinnt, besitzt die Macht in der Wertschöpfungskette. Oder Fakt 3 alternativ: Die Reduktion auf die einfache Handwerkleistung als Unterauftragnehmer (Typ2) vereinfacht die eigene Betriebsorganisation und reduziert das Risiko, aber auch die eigene Verdienstspanne. Der „goldene Boden“ bleibt dann meist beim Generalunternehmer bzw. Auftraggeber.

In bestimmten Bereichen spielt der Spezialist als Typ 3 eine große Rolle, weil ein kleiner klassischer Handwerksbetrieb meist nicht das nötige Know-how dafür besitzt, nicht die nötige Produktivität und ggf. auch nicht die nötige Betriebsgröße erreicht, um für diese Bereiche wettbewerbsfähige Einkaufspreise direkt bei den Herstellern zu erreichen (z.B. PV-Anlagen mit Speichersystemen, Entsalzungsanlagen, Klimageräte, …).

Fakt 4

Spezialbereiche und Nischen mit viel nötigem Know-how eröffnen bessere Verdienstspannen, weil die Qualität eine größere Rolle spielt als der Preis (Unternehmer Typ 3).

Allgemein wichtig, aber besonders hier, ist für das Handwerk die Schulung und Qualifikation.

Fakt 5

Im Einkauf liegt der Gewinn. Spezialisierung gekoppelt mit Direkteinkauf beim Hersteller kann eine Chance sein.

Gerade ein Spezialist hat zudem auch noch die Chance sich direkt mit einem Hersteller zu vernetzen, dessen Produkte er verarbeitet und darüber gute Preise im Einkauf zu erzielen, auch durch seine Mengen, was die Marge treibt. Bei der Befragung des Handwerks wird sehr deutlich, dass das Handwerk deutlich stärker mit dem Großhandel (48 % sehr stark) als direkt mit dem Hersteller (8 % sehr stark) zusammenarbeitet, wobei der Spezialist hier die Ausnahme bildet (einzelner Hersteller als Lieferant von Know-how und Material) – siehe Tabelle „Aussagen Handwerk“.

Fakt 6

Die Spezialisierung ermöglicht effiziente und schnelle Prozesse, was die Spanne erhöht.

Wichtig ist die Tragfähigkeit der Nische, welche von dem richtigen Know-how und den richtigen Lieferanten abhängt. Heute werden kleine Photovoltaik-Anlagen immer stärker in Kombination mit Speicherlösungen gefordert und der Handwerker gerät bei Kooperationen mit Lieferanten, welche hier kein gutes Angebot besitzen, sehr schnell ins Hintertreffen. Die Tragfähigkeit der Nische verändert sich auch, wenn die Verarbeitung weniger anspruchsvoll wird, wie es in der letzten Zeit durch einfacher abzudichtende Komplettsysteme für ebenerdige Duschlösungen der Fall ist.

Fakt 7

Optimale Partnerschaften ermöglichen effiziente Prozesse und erhöhen die Wirtschaftlichkeit, gerade für das klassische kleine Handwerk (Typ 4).

Gerade das heute noch dominierende klassische selbständige, kleine und mittelständige Bau-/ Haustechnik-, Elektro-Handwerksunternehmen (Typ 4) hat eine hohe Notwendigkeit durch optimale Partnerschaften eine effiziente Prozesskette mit einer hohen digitalen Durchgängigkeit zu schaffen, meist hin zum Partner Großhandel, der hier deutliche Potenziale sieht.

Die Komplexität ist dabei deutlich höher als beim Spezialisten und man arbeitet meist viel stärker zusammen mit dem Fachgroßhandel als direkt mit dem Hersteller, weil dieser die nötigen Serviceleistungen anbietet, die Sortimentsfunktion, die Logistikfunktion und vielfältige Serviceleistungen. In Zukunft kommt hier aus Sicht des Autors noch ein digitales Serviceangebot als Erweiterung des Großhandels-Online-Shops hinzu, der vom kleinen Handwerksunternehmen als durchgängiges EDV-System genutzt werden kann (Angebots-/ Auftragsmanagement / Projektabwicklung / Controlling / Nachschubmethodik). Dies bietet dem kleinen Handwerker (Typ 4) eine effiziente digitale Prozesskette ohne eigene Software- und EDV-Kosten. Nur bei einer durchgängigen Digitalisierung der gesamten Prozesskette (digitale Angebotserstellung (ggf. in Kooperation mit (z.B. Bad-) Ausstellung des Großhandels, Automatisierung der Bestellung beim Großhandels aus dem Angebot heraus, digitales Baustellenmanagement und optimale Auffüllung von Verbrauchsteilen sowie Controlling der Aufträge) wird Effizienz und Kundenakzeptanz zukünftig erreicht und das Einkommen aller Stufen gesichert.

Fakt 8

Logistik-Leistung des Großhandels reduziert eigene Lagerhaltung und Kapitalbindung und hat sich in Corona-Krise bewährt für das Handwerk.

Der Großhandel sorgt mit seiner, im Verhältnis zu anderen Wertschöpfungsketten, sehr hohen Bevorratung von Waren in seinen Zentrallägern wie auch den Niederlassungen sowie den Abholmärkten dafür, dass das Handwerk sehr positiv mit Waren versorgt wird, was auch während der ersten Welle der Corona-Krise insgesamt sehr positiv geklappt hat.

Dabei ist besonders zu bewerten, dass das Handwerk allgemein eine extrem hohe Produktverfügbarkeit erwartet mit einer sehr schnellen Lieferung der Waren, mindestens einmal täglich, vielfach aber sogar mehrfach täglich und häufig auch direkt auf die entsprechende Baustelle. Dies zeigt die sehr wichtige Bedeutung der Verfügbarkeit (64 %) und die noch höhere Bedeutung der schnellen Lieferung (80,3 % sehr wichtig). Dazu kommt gleichzeitig die doch nicht optimale Zufriedenheit mit dem Lieferzeitraum von dem Handwerk mit nur 20 % sehr zufriedenen Handwerkern, trotz häufig zweimaliger Lieferung pro Tag, auch weil bei sehr knappem Bestellvorlauf dann nicht immer alles auf die nächste Lieferung kommt.

Fakt 9

Endkundenbeziehung, digital beginnend, sichert die eigene Marktstellung des großen Handwerkbetriebs (Typ 5).

Nur wer den Endkunden selber gewinnt, besitzt eine starke Marktstellung gegenüber den Partnern, also als Handwerk gegenüber Großhandel und Herstellern. Erste Adresse für den Beginn der Kundenreise (Customer Journey) ist heute sicherlich immer stärker das Internet und Social Media. Wer es schafft, hier den Kunden auf sich aufmerksam zu machen, gewinnt, was aktuell bei der Corona-Pandemie mit dem Social Distancing besonders der Fall ist.

Hier hat es im Wettbewerb auf den digitalen Kanälen selbst der große Handwerksbetrieb nicht leicht den Kunden digital auf sich aufmerksam zu machen. Deswegen haben sich ja viele Handwerksunternehmen auch über Einkaufskooperationen zusammengeschlossen, welche klassisch die Einkaufskonditionen verbessern, heute aber auch eigene Markt- und Marketingkonzepten bieten.

Darüber schaffen es Handwerksunternehmen digital besser präsent zu sein sowie gut gefunden zu werden und auch zukünftig ohne Partnerschaften mit Herstellern bzw. Großhandel selber am Markt den Endkunden direkt zu gewinnen.

Nur dann schafft es das Handwerk (insb. Typ 5) wirklich unabhängig zu bleiben und auch langfristig nicht in eine Abhängigkeit vom Hersteller oder dem Großhandel zu kommen. Aktuell haben im SHK-Bereich bereits 50 % der Handwerker eine Mandatsvereinbarung mit dem Marktführer GC-Gruppe abgeschlossen, wodurch mittel- und langfristig eine Abhängigkeit entsteht. Das Handwerk hat aktuell den Vorteil, dass es den Engpass darstellt für die Anzahl der machbaren Projekte. Deswegen ist heute dem Großhandel eine faire Zusammenarbeit mit dem Handwerk sehr wichtig. Dies kann sich aber wieder ändern und dann wird die Situation eine andere sein.

Fakt 10

Starke Herstellermarken sind wichtig für das Handwerk, auch wenn Eigenmarken des Großhandels helfen könnten den Gewinn zu steigern.

Der Großhandel setzt intensiv auf Eigenmarken, welche zum einen dem Handwerk einen günstigeren Einkaufspreis erlauben, aber auch den Deckungsbeitrag beim Großhandel stärken.

Wichtig erscheint es für das klassische Handwerk auf Qualität zu setzen. Die lange Lebensdauer seiner (Bau-) Leistung ist beim Endkunden enorm wichtig für die Kundenzufriedenheit.

Eigenmarken des Handels sind aber eine Chance über eine Angebotsdifferenzierung als Handwerk auch preisattraktiver unterwegs zu sein, vielfach ohne Qualitätseinbußen, weil viele Eigenmarkenprodukte von namhaften Herstellern stammen. Als solche sollten Sie genutzt werden.

Zusammenfassung

Es gibt 5 Typen von Handwerksbetrieben. Typ 1: Der „mobile Generalist“, Typ 2: Der Handwerker als „Subunternehmer“, Typ 3: Der Spezialist, Typ 4: Der (gewerkorientierte) (Klein-) Handwerker, Typ 5: der Fachhandwerker mit eigenem Marktauftritt als Generalunternehmer / Full-Service-Partner für Kunden.

Jeder hat sich zu entsprechend zu positionieren:  Nur der Typ 5 hat eine gute Chance auch zukünftig digital den nicht rein auf den Preis fokussierten, gehobenen Endkunden selber / in einer Handwerkerkooperation positiv anzusprechen. Typ 3 und 4 (insb. kleinere Handwerker) überleben zukünftig positiv über faire Kooperationen mit ihren Partnern (Typ 3 meist Hersteller, Typ 4 meist Großhandel). Typ 1 und 2 müssen mit festen Niedrigpreisen ihres Auftraggebers leben bzw. im Preiswettbewerb von Vergabe-Plattformen überleben.

www.mosbach.dhbw.de/bhe