Vertragsabschluss am Messestand – Hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht?

Unternehmer, die auf Messen ausstellen, kommen möglicherweise in die Situation, dass ein Verbraucher auf sie zukommt und ihnen sogleich ­einen Auftrag erteilen möchte.

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In dieser Situation stellt sich die Frage, ob dem Verbraucher, der mit dem Unternehmer am Messestand einen Vertrag abschließt, diesen später ohne Angaben von Gründen widerrufen kann. Wäre dies so und würde der Verbraucher später von seinem ­Widerrufsrecht Gebrauch machen, so müsste er auch für Leistungen, die der Unternehmer schon begonnen hat, nichts bezahlen.

Ob ein Widerrufsrecht besteht, hängt davon ab, ob der Messestand ein ­Geschäftsraum ist oder nicht. Denn bei Verträgen, die außerhalb von ­Geschäftsräumen abgeschlossen werden, steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu (§ 312g Abs. 1 Alt. 1 BGB).

Mit dieser Thematik hat sich kürzlich der Europäische Gerichtshof befasst (Urteil vom 07.08.2018, Rs. C-585/17). Denn ein Unternehmer (U), der einmal im Jahr auf einer Messe in Berlin seine Produkte ausstellt und verkauft, war nicht von einem Widerrufsrecht seiner Verbraucher-Kunden ausgegangen und händigte diesen dementsprechend keine Widerrufsbelehrung aus. Ein Kunde, der von U auf der Messe einen Staubsauger gekauft hatte, wandte sich deswegen an die Verbraucherzentrale Berlin. Diese verklagte den U auf Unterlassung des Verkaufs seiner Produkte ohne Belehrung seiner Kunden über ein Widerrufsrecht. Der Fall ging zunächst bis zum BGH. Für den BGH, der für die Auslegung des Begriffs des „Geschäftsraums“ des § 312g BGB die ­Bedeutung und die Reichweite des Begriffs des „Geschäftsraums“ der EU-Verbraucherrechterichtlinie berücksichtigen muss (sog. „richtlinienkonforme Auslegung“), ist die euro­päische Definition nicht eindeutig. Die Richtlinie definiert Geschäfts­räume als alle unbeweglichen oder beweglichen Gewerberäume, an denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft oder für gewöhnlich ausübt. Was heißt „für gewöhnlich“ in Bezug auf einen Messestand? Bedeutet dies, dass der Unternehmer seine Produkte dort regelmäßig und nicht nur gelegentlich verkaufen muss? Der BGH wandte sich daher an den EuGH und legte ihm die Frage zur Entscheidung vor, ob ein Messestand ein ­beweglicher Gewerberaum ist.

Der EuGH gab zur Antwort, dass es hierfür auf das konkrete Erscheinungsbild des jeweiligen Standes aus Sicht der Öffentlichkeit ankommt; und zwar genauer darauf, ob ein Durchschnittsverbraucher damit rechnen muss, dass er, wenn er sich an den Stand hin begibt, zu kommerziellen Zwecken angesprochen wird. Der EuGH begründet dies mit dem Er­wägungsgrund des Widerrufsrechts: Außerhalb von Geschäftsräumen ist der Verbraucher in der Regel auf Vertragsverhandlungen nicht vorbereitet und daher einem Überraschungs­moment ausgesetzt oder steht mög­licherweise psychisch unter Druck, so dass er sich zu Vertragsabschlüssen verleiten lässt. Wenn sich aber der Verbraucher zu einer Örtlichkeit hinbegibt, die der Unternehmer erkennbar für gewöhnlich für seine Geschäfte nutzt, ist das Überraschungsmoment regelmäßig nicht gegeben.

Nach dem EuGH ist also für die Einstufung eines Messestandes als Gewerberaum nicht maßgeblich, wie häufig der Unternehmer seine Produkte auf Messen verkauft. Entscheidend ist, ob ein aufmerksamer Verbraucher den Stand so wahrnimmt, als könnte man an ihm direkt Verträge abschließen. Hierfür wiederum kommt es darauf an, wie die Messe in der Öffentlichkeit präsentiert wird, welche Informationen der Unternehmer vor Ort selbst verbreitet oder wie der Unternehmer die Leute anspricht.

Fazit und Tipp

Die Entscheidung stellt zwar eine ­Hilfe für die Beurteilung, ob ein ­Messestand ein Geschäftsraum ist, dar, gibt aber keine Rechtssicherheit im Einzelfall. Wenn man sich als Unternehmer unsicher ist, ob der eigene Stand als Geschäftsraum einzustufen ist oder nicht (dann: Widerrufsrecht), sollte man seinen Verbraucher-Kunden vorsorglich eine Belehrung über ein ­Widerrufsrecht erteilen. Denn sollte der Kunde tatsächlich ein Widerrufsrecht haben, kann durch die Belehrung die Widerrufsfrist deutlich verkürzt werden. Besteht kein Wider-rufsrecht, schadet die Belehrung auch nicht; sie geht einfach ins Leere.

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