50 Jahre Internet: So war das mit der ersten deutschen E-Mail

Am 29. Oktober feierte das Internet seinen 50. Geburtstag. Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Erfolg war die Erfindung der E-Mail Anfang der siebziger Jahre. Die erste E-Mail in Deutschland kam am 3. August 1984 in Karlsruhe bei Professor Werner Zorn (77) an.

Professor Werner Zorn berichtet im Interview darüber, wie es überhaupt zur ersten deutschen E-Mail kam und wie sich diese von heutigen E-Mails unterscheidet. – © HPI/K. Herschelmann

Die E-Mail wurde von Ray Tomlinson Anfang der siebziger Jahre erfunden. Professor Werner Zorn* (77) erhielt die erste deutsche E-Mail am 3. August 1984. In ihr heißt Laura Breeden vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston den deutschen Wissenschaftler und seinen Mitarbeiter Michael Rotert im damaligen CSNET willkommen.

Bis auf die E-Mail-Adresse gebe es zu heutigen E-Mails keine so großen Unterschiede, sagt Zorn im Gespräch: „1984 gab es einfach noch keine übergreifende Domänen-Adressierung, sodass jedes der außerhalb Deutschlands existierenden Computernetzwerke andere Formate hatte. Bei Mail-Kommunikation über Netzgrenzen hinweg ergaben sich zum Teil so lange und komplizierte Zeichenfolgen, dass diese als Adress-Symphonien bezeichnet wurden.“ Im CSNET – einem Vorläufer des Internets – hätte er damals die schöne Adresse zorn@germany gehabt. „Aber es gab damals eben einfach noch nicht so viele Nutzer“, erklärt Zorn weiter.

Werner Zorn im Interview

Im Interview spricht Zorn darüber, wie es dazu kam, dass er der Empfänger dieser E-Mail war, wie eine solche E-Mail damals aussah und wieso es nach der Verknüpfung der ersten Rechner noch so lange bis zur ersten E-Mail dauerte.

Herr Zorn, Sie erhielten 1984 die erste deutsche E-Mail, bzw. die erste CSNET/ARPANET E-Mail. Wie kam es dazu, dass gerade Sie der Empfänger waren?

Werner Zorn: Hintergrund und Vorgeschichte dieser ersten deutschen E-Mail war das vom Bundesforschungsministerium BMFT im Jahr 1983 gestartete Verbundprojekt „Deutsches Forschungsnetz“, in welchem ich als damaliger Professor und Leiter der Informatik-Rechnerabteilung (IRA) an der Universität Karlsruhe mit drei Projekten beteiligt war, eines davon mit dem Titel „Interkonnektion von Netzen“. Im Projektantrag vom November schrieb ich damals: „Die geplante Interkonnektion zwischen dem DFN und CSNET erscheint aufgrund der über CSNET zugänglichen Institutionen weit über den Bereich der Informatik hinaus von großer Bedeutung für das DFN zu sein. Hauptsächlich die internationalen Kooperationen, die hierdurch erleichtert werden, können am ehesten dazu beitragen, vorhandene nationale Know-how-Rückstände aufzuholen.“

Die besagte erste E-Mail vom 3. August 1984 war dabei ein wichtiges Ergebnis und gleichzeitig der erste Meilenstein auf einem langen, bis heute noch verfolgten Weg ins und im Internet. Die Mail erhielt ich nicht nur als Projektleiter, sondern vom CNET-CIC (Coordination and Information Center) als admin-c (hieß damals administrative liaison), d. h. zum Hauptverantwortlichen der CSNET-Domäne Germany, was mir später seitens des DFN- Verantwortlichen viel Ärger eintrug und als Sofortmaßnahme die Beendigung aller meiner BMFT-Projekte.

Wie viel Ähnlichkeit hatte diese erste E-Mail mit einer heutigen E-Mail?

Zorn: Bis auf die Mail-Adressen große, denn es gab 1984 noch keine übergreifende Domänen-Adressierung, welche erst 1986/87 eingeführt wurde, sodass jedes der – außerhalb Deutschlands – bereits existierenden Computernetze andere Formate hatte. Bei Mail-Kommunikation über Netzgrenzen hinweg ergaben sich zum Teil so lange und komplizierte Zeichenfolgen, dass diese als „Adress-Symphonien“ bezeichnet wurden. Im CSNET hatte ich damals die schöne Adresse zorn@germany, woraus zu schließen ist, dass es damals in Germany nur wenige Nutzer gab – was auch so war. Im Dezember 1987 stieg ich dann auf zorn@ira.uka.de um, worunter ich auch heute noch zu erreichen bin.

Warum dauerte es seit der ersten Verknüpfung von zwei Rechnern 1969 dann noch 15 Jahre, bis eine E-Mail in Deutschland empfangen werden konnte?

Zorn: Das 1969 mit 4 Knoten gestartete ARPANET war vom US Departement of Defence (DoD) gefördert und somit nicht frei verfügbar. Mit der Umstellung auf TCP/IP Anfang 1983 bei gleichzeitiger Zusammenführung der DoD-finanzierten Knoten im separaten MILNET begann mit dem Internet die Öffnung des Netzes. CSNET (Computer Science Network) mit E-Mail als einzigem Service diente strategisch als Internet-Zugang für alle Institutionen ohne besondere Sicherheitsauflagen, vor allem außerhalb der USA. Zur Erinnerung: In den 80ern herrschte zwischen Westen und Osten immer noch Cold War, so dass Security-sensible Rechnerzugänge für Remote Dialog oder File Transfer nicht erforderlich waren.

Kurz gesagt war die erst 1983 verfügbare CSNET E-Mail-Software für uns die erste und einzige Möglichkeit des Zugangs zum internationalen E-Mail-Verbund mit gleichzeitiger Option einer späteren Einführung der vollen Internet-Dienste, was dann 4 Jahre später mit dem Karlsruher XLINK-Dienst und 1993 dem gleichnamigen Startup (1993) auch passierte.

Zurück zur Frage, warum es nach dem ARPANET-Start 1969 noch 15 Jahre dauerte bis zur ersten deutschen Internet E-Mail 1984. Aus meiner Sicht als RZ-Leiter: Weil es bis dahin gar keinen Bedarf gab! Mit wem soll man denn per E-Mail kommunizieren, wenn man der einzige Nutzer in (West-)Deutschland ist!? Übrigens: Die DDR existierte noch, sodass der Domänenname germany oder Deutschland damals durchaus problematisch war.

Wie haben Sie sich 1984 die Entwicklung des Internets in den nächsten 20, 30 Jahren vorgestellt? Haben Sie damit gerechnet, dass die E-Mail und das Internet ganz selbstverständlich zur Lebensrealität dazugehören?

Zorn: E-Mail schon. Zum heutigen und künftigen Internet nicht – frei nach G. B. Shaw: „Prognosen sind schwierig, besonders über die Zukunft.“ Mehr dazu vielleicht in einem späteren Interview.

Ab wann wurde die E-Mail für Sie das Hauptkommunikationsmittel im wissenschaftlichen Bereich?

Zorn: Ab 1984 und ist es bis heute geblieben.

* Professor Werner Zorn ist ein deutscher Informatiker und Internet-Pionier, der von 2001 –  2007 das Fachgebiet Kommunikationssysteme am Hasso-Plattner-Institut (HPI) leitete. Er verfügt seit Jahrzehnten über enge Verbindungen zu China und war 1987 und in den folgenden Jahren maßgeblich daran beteiligt, China an das Internet anzuschließen. Prof. Zorn wurde 2006 für sein Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und 2013 in die Internet Hall of Fame aufgenommen. 2014 verlieh ihm die chinesische Regierung den Friendship Award, seit 2016 ist er Ehrenmitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin. Beim Erhalt der ersten deutschen E-Mail 1984 war er Professor und Leiter der Informatik-Rechnerabteilung an der Universität Karlsruhe. Die erste E-Mail war Teil des Projekts „Interkonnektion von Netzen“ im Verbundprojekt „Deutsches Forschungsnetz“.

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