Klimaforscher: Fossile Heizungen verbieten?

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) plädiert für einen maßvollen Umgang mit der Wärmewende im Heizungskeller. Die Klimaforscher haben dazu einen Artikel veröffentlicht mit Vorschlägen an die neue Bundesregierung, wie der Austausch fossiler Heizungen ohne Bürgerproteste gelingen könnte.

Luft-/Wasser-Wärmepumpe im Vorgarten
Wechsel auf Wärmepumpe – per Zwang oder freiwillig? Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) nennt vier Aspekte, die der neuen Regierung bei differenzierten Regelungen zum Heizungstausch helfen sollen. – © Si/ch

Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben einen Artikel in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „nature climate change“ mitverfasst, in dem es um das Umrüsten auf CO₂-freie Heizungstechnik geht. Die Autoren stützen sich dabei auf neue Erkenntnisse der Wirtschaftslehre. Der Beitrag der Forscher soll Kriterien und eine politische Marschroute liefern für eine maßvolle, gezielte Regulierung (Gebäudeenergiegesetz), ergänzend zur sukzessive steigenden CO₂-Bepreisung.

Schon vor der Neuwahl der Bundesregierung im Januar 2025 hat PIK-Direktor Ottmar Edenhofer den damaligen Kanzlerkandidaten Merz vor der Rücknahme des Heizungsgesetzes gewarnt. Er forderte stattdessen eine gerechte Kompensation, um energetische Sanierungen und Heizungstausch zu fördern. Friedrich Merz ist jetzt im Amt, und die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) will das „Heizungsgesetz“ abschaffen. Die Bundesregierung (CDU/CSU/SPD) verspricht im neuen Koalitionsvertrag für die Klimawende im Heizungskeller ein flexibleres Konzept.

Klimaforscher: Verbot vs. Einsicht

Die Forscher des PIK deuten den Koalitionsvertrag so, dass selbst alte Gasheizungen von vor 1991 weiterbetrieben werden dürfen. In anderen Industriestaaten gäbe es ähnliche Rückzieher. Das Forschungsteam nimmt diese internationale Politikwende zum Anlass für eine grundlegende Betrachtung.

„Auf den ersten Blick stoßen beim Thema Heizungsverbot zwei unvereinbare Ansichten aufeinander“, sagt Mitautor Edenhofer. „Für die einen schützt der Staat die Menschen damit vor falschen Entscheidungen, weil sie zum Beispiel angesichts der stetig steigenden CO₂-Bepreisung den langfristigen Kostenvorteil einer Wärmepumpe unterschätzen. Doch für die anderen beraubt er sie gerade der Möglichkeit, mit Blick auf ihre persönliche Kostensituation optimal zu handeln und vielleicht lieber noch eine Zeitlang mit Erdgas zu heizen. Der Witz ist: Beide Denkschulen haben unter bestimmten Bedingungen recht.

Vier Aspekte zum Heizungstausch

Der Artikel zeigt, dass neue Studien einen Ausweg aus dem Glaubenskrieg ermöglichen: Haushalte entscheiden sich unterschiedlich für Wärmepumpe oder Gastherme – teils aus Kostengründen, teils wegen fehlender Informationen. Ein pauschales Verbot kann in die Kostenfalle führen oder zu unnötigem Protest.

Vier Anhaltspunkte nennen die Forscher:

  • Gebäudetyp: Schlecht gedämmte Altbauten sind schwerer fossilfrei zu beheizen als Neubauten.
  • Regionale Lage: Fachkräftemangel und Lieferengpässe treiben regional die Kosten hoch. „Verbote tun dann besonders weh.“
  • Mehr Beratung: Gut informierte Haushalte brauchen weniger staatliche Regulierung.
  • Mietverhältnisse: Wenn Investition und Nutzen bei verschiedenen Personen liegen, ist Regulierung nötiger.

Plädoyer der Klimaforscher für differenzierte Wärmewendepolitik

Statt pauschaler Verbote oder Laissez-faire-Politik, so das Fazit des Artikels, sollte die Wärmewendepolitik an diesen vier Aspekten für eine maßvolle, gezielte Regulierung der Wärmewende ausgerichtet sein. „Es geht um einen differenzierten Umgang mit unterschiedlichen Gruppen von privaten Haushalten – je nachdem, ob Heizungsverbote dort eher nützen oder schaden“, erklärt Michael Pahle, Leiter der PIK-Arbeitsgruppe Klima & Energiepolitik und ebenfalls ein Autor des Artikels. „Gezielte Verbote können durchaus eine wichtige Rolle spielen und das ab 2027 im Gebäudesektor EU-weite Leitinstrument der CO₂-Bepreisung ergänzen. Nötig sind zudem eine den Umstieg erleichternde Infrastruktur, gute Informationspolitik sowie auf Härtefälle ausgerichtete Fördermaßnahmen.“

Mehr Daten und Start von Modellversuchen

Das Forschungsteam empfiehlt der Politik eine rasche Zusammenführung und bessere Nutzung existierender Datenquellen, um mehr Licht in die Entscheidungsfindung privater Haushalte zu bringen. So könnten bei Energieberatungen und in Anträgen auf Heizungsförderung zusätzliche Daten erhoben werden.

„Außerdem sollte ein Sofortprogramm mit regional begrenzten Modellversuchen als Quelle für den nötigen schnellen politischen Lernprozess aufgesetzt werden“, so Andreas Gerster von der Universität Mainz und dem RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, ebenfalls einer der Autoren. „Die Wärmewende ist dringend überfällig, deshalb brauchen wir eine Tempo-Strategie für einen ambitionierten und gesellschaftlich vermittelbaren Umbau.“

Link zum Artikel (englisch) im Magazin „natur climate change“

www.pik-potsdam.de