Sachverständige fordern sozialverträgliche Wärmewende

Am 29. März 2023 haben die Mitglieder des Ausschusses für Klimaschutz und Energie im Bundestag mit einer öffentlichen Anhörung das Thema Wärmewende beraten. Im Rahmen der Anhörung äußerte sich neben Vertretern anderer Verbände auch ZVSHK-Hauptgeschäftsführer Helmut Bramann.

ZVSHK-Hauptgeschäftsführer Helmut Bramann im Deutschen Bundestag. – © ZVSHK

Grundlage der Diskussion am 29. März 2023 war ein Antrag der CDU/CSU, dass die Wärmewende „versorgungssicher, nachhaltig und sozial“ (20/4675),  zu gestalten sei. Sie müsse in Abstimmung mit Ländern und Kommunen erarbeitet werden, technologieoffen gestaltet und energetische Sanierungen stärker gefördert werden. Diese Forderungen wurden von den Sachverständigen weitgehend mitgetragen.

Helmut Bramann erläutert Standpunkte des ZVSHK

Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen. „Dafür muss auch der Gebäudebereich auf Kurs gebracht werden“, sagte Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). Das Gebäude-Energiegesetz (GEG) wie auch die Bundesförderung Effiziente Gebäude (BEG) setzten hierfür einen wichtigen Rahmen mit Verpflichtungen und Anreizen, sagte Bramann. Erfolgreich werde man aber nur sein, wenn es Übergangsfristen gäbe, keine Verengung des Lösungs-Angebotsraumes, möglichst klare, unbürokratisch umsetzbare und einhaltbare Rahmenbedingungen und eine sozialverträgliche und praktikable Ausgestaltung der Vorgabe von 65 % erneuerbare Energien.

Sichtweise von kommunalen EVU und Bioenergie

Die volkswirtschaftliche Kosteneffizienz stelle die eigentliche Stellschraube bei der Ausgestaltung und Instrumentierung der Wärmewende dar, sagte Matthias Dümpelmann, Geschäftsführer der 8KU GmbH, dem Zusammenschluss acht großer kommunaler Energieversorgungsunternehmen. Eine erfolgreiche Wärmewendestrategie müsse von den Kundenbedürfnissen ausgehen. Die Kundenbedürfnisse und die Mittel, diese Bedürfnisse zu decken – Energieträger, Technologien, Infrastrukturen – fielen regional und sektoral höchst unterschiedlich aus. Entsprechend differenziert müsse auch die Wärmewende vorgehen. „Jeder pauschale, nur von der Technologie ausgehende Ansatz ist mit gravierenden Ineffizienzen verbunden“, sagte Dümpelmann. In diesem Zusammenhang beklagte Sandra Rostek vom Hauptstadtbüro Bioenergie, dass die Diskriminierung der Biomasse nicht weiter helfe. Aber auch im Entwurf einer GEG-Novelle fänden sich viele Regelungen, die klimaneutrale Heizungskonzepte unnötig ausschlössen.

Sichtweise des BuVEG

Der Energieverbrauch in Wohngebäuden und die zu erwartenden Kostensteigerungen würden immer noch extrem unterschätzt, sagte Jan Peter Hinrichs, Geschäftsführer des Bundesverbands energieeffiziente Gebäudehülle e. V. (BuVEG). In Deutschland gebe es rund 21 Mio. Wohn- und Nichtwohngebäude, von denen sich ein Großteil in einem energetisch schlechten Zustand befinde: Rund 30 % der Wohngebäude zählten zu den schlechtesten Effizienzklassen G und H. Hinrichs fordert deshalb eine signifikante Reduktion des Primär- und Endenergieverbrauchs. Dabei sei eine energieeffiziente Gebäudehülle der zentrale Hebel. Ohne sie würden Heizungen, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden, perspektivisch zur Kostenfalle für Millionen von Menschen. Die schlechtesten Gebäude sollten als erstes saniert werden.

Sichtweise von Forschung und Kommunen

Bei den Effizienzmaßnahmen sollten neben der herkömmlichen Dämmung der Gebäudehülle auch   Potentiale der Digitalisierung, der Wärmerückgewinnung etwa aus Lüftung, Abwasserwärme oder industriellen Prozessen und der Einsatzes von Kraftwärmekopplung (KWK) deutlich besser als bisher genutzt werden, meinte  Prof. Dr. Lamia Messari-Becker von der Universität Siegen. Zudem empfehle sie, neben Einzelgebäuden auch Quartiersansätze zu adressieren. Hier ließen sich Modernisierungen kostengünstiger, umwelteffizienter und sozialverträglicher realisieren. Die kommunale Ebene und die kommunalen Wärmepläne spielten für eine lokale Wärmewende eine zentrale Rolle. Dennoch würden die Kommunen bei vielen auf EU- und Bundesebene diskutierten Vorhaben nicht ausreichend berücksichtigt, sagte Nadine Schartz von den Kommunalen Spitzenverbänden. Die tatsächliche Umsetzung der Maßnahmen zur Wärmewende erfolge aber vor Ort in den Kommunen. Deshalb erscheint es ihr wesentlich, die vorhandenen kommunalen Erfahrungswerte im Hinblick auf Maßnahmen und deren Praktikabilität maßgeblich einzubeziehen und den Kommunen genügend Umsetzungsspielraum zu geben.

Sichtweise von Wirtschaftsforschung und Mieterbund

Karsten Neuhoff vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagte, um die drei Herausforderungen der sozialen Resilienz, des Klimaschutzes sowie der Versorgungssicherheit gemeinsam zu bewältigen, bedürfe es der parallelen Umsetzung verschiedener Lösungsansätze anstelle eines „Entweder-oders“: Die energetische Sanierung von Gebäuden sowie die Umstellung auf klimaneutrale Heizsysteme müsse gleichzeitig erfolgen. Wie Neuhoff machte sich auch Melanie Weber-Moritz vom Deutschen Mieterbund dafür stark, Klimaschutz und Sozialverträglichkeit zusammenzudenken. Heizkosten würden für viele Haushalte zur „zweiten Miete“. Der Anteil von energiearmutsgefährdeten Haushalten – also Haushalten mit geringem und niedrigem mittleren Einkommen, die mehr als zehn Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für Energie aufwenden müssen – sei von 14,5 % im Jahr 2021 auf 25,2 % im Mai 2022 angestiegen.

Mehr Tempo notwendig

Schnell müsse es gehen, fordert Constantin Terton vom Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V. (ZDH). Das „Deutschland-Tempo“ – symbolisiert durch die schnelle Errichtung der Flüssigas-(LNG)-Terminals an Deutschlands Küsten – müsse auf alle Projekte und ihre Realisierung übertragen werden. Nur dann werde es gelingen, Deutschland erfolgreich krisenfest zu machen und die ambitionierten Klima- und Energieziele umzusetzen.

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