Stiebel Eltron im Interview: „Warten wäre in jedem Fall die falsche Strategie“

Dr. Kai Schiefelbein, Geschäftsführer Technik bei Stiebel Eltron. – © Stiebel Eltron

Als innovationsgetriebenes Familienunternehmen verfolgt Stiebel Eltron bei der Produktion und Entwicklung von Produkten eine klare Linie – für eine umweltschonende, effiziente und komfortable Haustechnik. Wie nun mit der Wärmepumpenheizung die Klimaziele zu erreichen sind, darüber sprach die Si-Redaktion mit Dr. Kai Schiefelbein, Geschäftsführer Technik bei Stiebel Eltron.

Si: Herr Dr. Schiefelbein, wie lief für Stiebel Eltron das zurückliegende Jahr, nachdem 2020 ein Umsatzrekord aufgestellt wurde, und welche Entwicklung hat speziell der Wärmepumpenbereich bei Ihnen genommen?

Dr. Kai Schiefelbein: 2021 ist für die Stiebel Eltron Gruppe erneut ein Rekordjahr mit etwas mehr als 800 Millionen Euro Umsatz. Die Wärmepumpe ist inzwischen der stärkste Produktbereich mit dem mit Abstand größten Potenzial. Bis 2026 wollen wir die Produktionskapazitäten am Hauptsitz im niedersächsischen Holzminden verdoppeln – rund 120 Millionen Euro werden wir in den nächsten Jahren in die Wärmepumpenfertigung investieren.

Si: Wie sehen Sie auch in Ihrer Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Bundesverband Wärmepumpe e. V. (BWP) die Rolle der Wärmepumpe, damit die Klimaschutzziele im Gebäudesektor erreicht werden können? Alleine wird sie es nicht richten können, daher stellt sich eine vernünftige Energie- bzw. Wärmewende wie dar?

Schiefelbein: Im Wärmesektor kann die Wärmepumpe schon ziemlich viel zur Erreichung der Ziele beitragen. Bei der Beheizung von Gebäuden haben wir, im Unterschied zu anderen Sektoren, den Vorteil, dass wir alle wesentlichen Technologien für die Erreichung der Klimaziele kennen. Warten wäre in jedem Fall die falsche Strategie. Technisch können über 80 % aller Gebäude mit Wärmepumpen versorgt werden. Darin sind sich auch alle wesentlichen Studien der vergangenen Jahre einig. Wo Wärmepumpen aus verschiedenen Gründen nicht passen sollten, kann die perspektivisch dekarbonisierte Fernwärme übernehmen. Beide Technologien bilden zusammen das Rückgrat einer modernen Wärmversorgung. In bestimmten Anwendungen können auch Pelletkessel, dekarbonisierte Nahwärme und Kraft-Wärme-Kopplung auf der Basis biogener Brennstoffe einen Beitrag zu den Klimaschutzzielen im Gebäudesektor leisten.

Mitte Februar verlieh das Europäische Umweltbüro sowohl der Dachmarke „Stiebel Eltron“, als auch den „Thermia“-Geräten die Spitzenbewertung „Climate Leader“. Dies wurde bisher nur von 19 von insgesamt 49 untersuchten Unternehmen erreicht. Unternehmen dieser Top-Kategorie sind mit ihrem Portfolio bei der Nutzung klimafreundlicher erneuerbarer Energien führend. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Marktanalyse des Europäischen Umweltbüros EEB. – © Stiebel Eltron

Si: Auf dem Forum Wärmepumpe Ende November 2021 in Berlin zeigten Sie die Vorteile der Wärmepumpe im Wärmesektor auf und thematisierten dabei besonders die Verhältnisse in puncto CO2-Emissionen und gegenüber wasserstoffbetriebenen Brennwertgasgeräten. Können Sie uns hierzu Ihren Standpunkt nochmals näher erläutern betreffend der Wettbewerbstechnologien?

Schiefelbein: Wasserstoff – vor allem grüner Wasserstoff – spielt eine große Rolle bei der Energiewende. Wir benötigen diesen grünen Wasserstoff für Industrieanwendungen, Mobilitätsanwendungen und als Speicher, wenn zwischen der Produktion von erneuerbarem Strom und dem Bedarf ein Ungleichgewicht besteht. Dadurch wird grüner Wasserstoff sehr nachgefragt sein – und auch sehr teuer. Deswegen glauben wir auch nicht, dass grüner Wasserstoff im Heizungskeller, wie manchmal propagiert wird, die sozial verträglichere Lösung sein wird. Stattdessen ist es viel effizienter, den erneuerbaren Strom direkt über die Wärmepumpe in Raumwärme umzuwandeln. Beim Umweg über die Elektrolyse und das Verbrennen von Wasserstoff brauche ich die vier- bis sechsfache Menge an erneuerbaren Strom, um die gleiche Wärmemenge zu erzeugen. Und das kann nicht Technologieoffenheit bedeuten.

Si: Wie ist Ihrer Meinung nach grundsätzlich das Thema Wasserstoff zu sehen und welche Auswirkung wird die EU-Taxonomie mit der nachhaltigen Klassifizierung bei Gas und Kernenergie für die weitere Marktentwicklung der Wärmepumpe haben?

Schiefelbein: Natürlich wäre es wünschenswert, nur noch Strom aus erneuerbaren Energien zu nutzen. Leider ist das angesichts des schleppenden Ausbaus der Erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung in den letzten Jahren kurzfristig nicht umsetzbar. Langfristig muss und wird jede Regierung dieses Manko beheben – die Treibhausgasneutralität bis 2050 stand schließlich schon im Paris-Abkommen. Nahezu alle Experten gehen davon aus, dass flexible Gaskraftwerke, die perspektivisch mit grünem Wasserstoff betrieben werden, dabei eine Rolle spielen. Sie bieten zwei wesentliche Vorteile: Grüner Wasserstoff kann einerseits bei Überkapazitäten von grünem Strom auch in Europa produziert werden und hervorragend als Speichermedium dienen, andererseits sind neue Gaskraftwerke in der Lage, kurzfristige Nachfragen im Zusammenspiel mit der erneuerbaren Stromerzeugung flexibel zu bedienen.

Deswegen ist die Idee, Investitionen in derartige Kraftwerke, die mangels grünem Wasserstoff vorerst auch Erdgas nutzen, als nachhaltige Investition einzustufen, nachvollziehbar. Damit legt die EU aber auch klipp und klar fest, dass der Ausstieg aus der Nutzung fossilen Erdgas nicht nur im Wärmemarkt konkret wird. Entscheidend dabei ist, dass nicht das Erdgas selbst als „grüner Energieträger“ klassifiziert wird – sondern allein das Kraftwerk als nachhaltige Investition eingestuft wird.

Für den Wärmesektor bedeutet das, dass Gas nicht direkt in Brennwertgeräten zum Einsatz kommen darf, sondern dass Strom aus Gaskraftwerken genutzt werden muss, um Wärmepumpen zu betreiben. Durch die Nutzung von Strom aus Gaskraftwerken in Wärmepumpen werden bei einer Jahresarbeitszahl von 3,5, wenn der Strom aus einem Gas-und-Dampf-Kraftwerk (GuD) mit 60 % Wirkungsgrad kommt, 52 % Erdgas und damit CO2-Emissionen eingespart. Wird das Erdgas in einem Spitzenlastkraftwerk, das nur über eine Gasturbine verfügt, mit einem Wirkungsgrad von 39 % verstromt, so spart die Wärmepumpe gegenüber dem Brennwertkessel immer noch 27 % Erdgas und damit CO2-Emissionen ein.

Wenn also schon Erdgas als Übergangstechnologie zwingend nötig ist, dann bitte nur für eine flexible Stromproduktion. Jeder Prozess, der mittels Elektrifizierung sinnvoll dekarbonisiert werden kann, muss so schnell wie möglich umgestellt werden – das gilt insbesondere für den Wärmesektor, wo die Wärmepumpe als stromnutzende Alternative ja nicht nur den fossilen Brennstoff durch Strom substituiert, sondern auch noch ein Vielfaches an zusätzlicher Umweltenergie einkoppelt.

Die Einstufung von Kernenergie als nachhaltige Investition ist auf Wunsch Frankreichs erfolgt. Frankreich will die eigenen CO2-Minderungsziele zu einem guten Teil durch die Nutzung der Kernenergie erreichen. Betrachtet man nur die CO2-Emissionen, so ist das möglich. Dass die so erreichten CO2-Emissionseinsparungen mit einem hohen Preis, was das Sicherheitsrisiko und die Endlagerthematik anbelangt, erkauft wird und dass Kernenergie nicht nachhaltig ist, da das dafür benötigte Uran nicht in unendlicher Menge vorhanden ist, ist aus deutscher Sicht unstrittig.

Si: Im Vergleich jeweils zum Vorjahr legte der Wärmepumpenabsatz im Jahr 2022 um 40 % und 2021 um 28 % zu. Allein 154.000 Heizungswärmepumpen wurden im Jahr 2021 laut BWP-Zahlen in Deutschland abgesetzt. Wie viele installierte Wärmepumpen braucht es jährlich, um die geplanten Klimaschutzziele erreichen zu können?

Schiefelbein: Um die Klimaziele zu erreichen, muss Deutschland die Revolution im Heizungskeller zügig vorantreiben. 2030 braucht es diversen Studien zufolge mindestens sechs Millionen Wärmepumpen im Feld – also müssen theoretisch ab diesem Jahr jährlich rund 500.000 neue Geräte installiert werden. Das geht nicht nur mit Neubauten, dazu muss auch der Bestand angegangen werden. Die Festlegung, dass ab 2025 jede neu eingebaute Heizung mindestens 65 % erneuerbare Energien einkoppeln muss, ist da auf jeden Fall hilfreich. Aber um auf die notwendigen Zahlen zu kommen, muss die Renovierungsrate um den Faktor zwei erhöht werden – das sagt beispielsweise auch das Bundeswirtschaftsministerium.

Si: Beim Forum Wärmepumpe haben Sie zudem darüber gesprochen, dass, um die Ziele zu erreichen, sowohl die Wärmepumpenindustrie als auch die Politik noch einige Herausforderungen zu bewältigen haben. Welche wären das genau? Vermisst werden ja unter anderem faire Wettbewerbsbedingungen.

Schiefelbein: Als Industrie sind wir dafür verantwortlich, Planung und Installation von Wärmepumpen zu vereinfachen. Zusätzlich arbeiten wir daran, die Betriebssicherheit für Luft-Wasser-Wärmepumpen bei extremen Umweltbedingungen zu verbessern und die möglichen Vorlauftemperaturen sowie die Effizienz zu erhöhen. Im Mehrfamilienhaus stehen wir vor anderen Herausforderungen: Hier gilt es, einfache Lösungen mit DVGW-konformer Trinkwarmwasserbereitung zur Verfügung zu stellen und Fernwartungslösungen anzubieten. In Bezug auf das Kältemittel, gilt es, zukünftig Kältemittel mit möglichst geringem GWP einzusetzen und gleichzeitig die Menge zu reduzieren. Darüber hinaus werden nach und nach die Herstellkosten der Wärmepumpen reduziert. Der Endkunde ist digitale Anwendungen gewohnt, das müssen wir auch in Sachen Wärmepumpe bieten. Energiemanagement, um günstige Stromtarife nutzen zu können und die Integration der Wärmepumpe in Smart Home Systeme müssen und werden eine stärkere Verbreitung finden.

Was wir uns von der Politik wünschen: Für verlässliche Förderbedingungen sorgen. Im Zuge der Überarbeitung der Förderbedingungen müssen jetzt die Weichen richtig gestellt werden: Der Effizienzhaus-55- und sicher wenig später sogar der 40-Standard müssen im Neubau als Mindestanforderung festgelegt werden. Denn ein Haus, das heute gebaut wird, muss 2040 CO2-neutral betrieben werden können. Die Politik muss sich außerdem um die hohen Strompreise kümmern, denn aktuell frisst die Energiewende ihre Kinder. Die EEG-Umlage soll ja abgeschafft werden, ein guter Schritt. Weiterer Punkt: Der Ausbau der Fachhandwerkskapazität im Heizungsbau. Eigentlich ist der steigende Bedarf an Heizungsbauern eine gute Sache: Die Arbeitsplätze, die im Kfz-Gewerbe durch die geringere Wartungsintensität von Elektroautos entfallen werden auf der anderen Seite im Heizungs-/Sanitär-Fachhandwerk neu geschaffen.

Si: Woher soll grundsätzlich der benötigte Strom kommen? Nicht nur für die vielen Wärmepumpen, sondern auch mit Blick auf die Dekarbonisierung, eine Digitalisierung, die E-Mobilität oder den Bedarf der Industrie? Dazu verunsichern steigende Strompreise und Schwankungen in der Stromversorgung.

Schiefelbein: Da geht einiges durcheinander. Natürlich muss einerseits die Energie, die benötigt wird, auch erzeugt werden. Diverse Studien zeigen, dass es durchaus möglich ist, den kompletten Bedarf aus erneuerbaren Quellen zu decken. Dabei kann auch der Import von grüner Energie eine Rolle spielen, das ist ja seit Jahrzehnten in Sachen Öl und Gas gelebte Praxis. Andererseits bedeutet Energiewende auch, effizientere Techniken zu nutzen – wie zum Beispiel die Wärmepumpe im Wärmebereich. Ja, mit mehr Wärmepumpen steigt der Strombedarf. Umgerechnet auf die Endenergie senken mehr Wärmepumpen statt Öl- und Gaskessel jedoch den Bedarf.

Si: Für die Installation einer Wärmepumpe benötigt man doppelt so lange wie beispielsweise für einen Gaskessel. Eine zusätzliche Verdopplung der Austauschrate würde daher insgesamt eine Vervierfachung der Montagekapazität bedeuten. Bei dem herrschenden Fachkräftemangel soll nun von wo genau das Personal kommen?

Schiefelbein: Hier kommen mehrere Dinge zusammen: Die Industrie muss dafür sorgen, die Montagezeit zu reduzieren. Gemeinsam mit dem Handwerk und den Verbänden muss der Beruf als das dargestellt werden, was er heute schon ist: SHK-Fachhandwerker sind die Klimaretter für den Gebäudebereich – die Technologien sind modern und die Herausforderungen in der Branche hochspannend. Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, Jobs, die beispielsweise in der Autoindustrie und bei Kfz-Werkstätten wegfallen, gewinnbringend umzuverteilen.

Stiebel Eltron mit Sitz in Holzminden, gegründet 1924, gehört mit einem Jahresumsatz von über 800 Millionen Euro und 4.000 Mitarbeitern weltweit zu den führenden Unternehmen auf dem Markt der Erneuerbaren Energien, Wärme- und Haustechnik. – © Stiebel Eltron

Si: Mit welchen Systemen und Angeboten unterstützt speziell Stiebel Eltron das Fachhandwerk, wenn es um zukunftsfähige Heizungslösungen geht?

Schiefelbein: Stiebel Eltron unterstützt den Handwerker nicht erst bei der Umsetzung: Wir unterstützen bereits Berufsschulen bei der Ausbildung neuer Handwerker unter anderem mit unserem Wärmepumpen-Führerschein. Der Handwerker selbst kann sich bei uns permanent weiterqualifizieren: Vom Wärmepumpen-Führerschein bis hin zu differenzierten Seminaren wie dem Regelungs-Führerschein, einem Seminar zur Sanierung mit der Wärmepumpe oder gar der Ausbildung zum Sachkundigen für Wärmepumpensysteme nach VDI 4645. Daneben unterstützt unser Kundendienst angepasst an die Anforderungen des Handwerkers: Wir übernehmen beispielsweise Inbetriebnahmen, gleichzeitig können sich Handwerker auch selbst dafür qualifizieren. Außerdem haben unsere Fachpartner grundsätzlich einen direkten Ansprechpartner im Vertrieb.

Si: Abschließend noch die Frage, wie sieht es in diesem Jahr mit Neuheiten im Wärmepumpenprogramm aus? Auf was darf man gespannt sein?

Schiefelbein: Gespannt sein dürfen Sie gerne. Trotzdem werden wir unsere Produktneuheiten im Rahmen der dafür gedachten Messen präsentieren.

www.stiebel-eltron.de