TGA.Digital: Der digitale Wandel kommt

Das BIM Center Aachen führte mit „TGA.Digital“ einen BIM-Fachkongress zur Zukunft des Bauens mit Schwerpunkt Gebäudetechnik durch. Die Vorträge gaben vielfältige Impulse, in welche Richtung sich ein zunehmend digital gestütztes Bauen entwickeln kann. Eines kann auch schon vorweggenommen werden: Eine Folgeveranstaltung ist dringend erwünscht.

TGA.Digital – Der BIM-Fachkongress zur Zukunft des Bauens
Als interaktive Veranstaltung zeichnete sich „TGA.Digital – Der BIM-Fachkongress zur Zukunft des Bauens“ aus, den das BIM Center Aachen für Fachplaner, planende Fachhandwerker, Architekten, Betreiber und Investoren in der Viega World in Attendorn veranstaltete. – © Viega

Gleich in drei Facetten stand der Begriff „Wandel“ im Mittelpunkt des zweitägigen BIM-Fachkongresses „TGA.Digital“ am 13. und 14. Oktober 2023 in Attendorn: Der Klimawandel, der gesellschaftliche Wandel und allen voran der technologischen Wandel, sprich die Digitalisierung im Bauwesen mit dem Schwerpunkt der Gebäudetechnik.

Dirk Gellisch, Mitglied der Geschäftsführung bei Viega (www.viega.de), sprach dann in seinem Grußwort in der 2023 eröffneten Viega World vor gut 150 Teilnehmern aus Fachplanung, Fachhandwerk, Architektur sowie Investoren und Betreibern auch von einer Kick-off-Veranstaltung rund um die Frage, wie wir den Wandel zu einem  digitalen Planungs- und Ausführungsprozess gestalten wollen. In den vier Themenblöcken „Innovative Projektentwicklung und Umsetzung in anderen Branchen“, „Agiles Projektmanagement im Bauwesen“, „Bedeutung von Bedarfsplanung und Konzeption“ sowie „BIM in der TGA – Potentiale zur Produktivitätssteigerung“ wurde dieser Fragestellung ausführlich nachgegangen.

Größte Herausforderungen stellen dabei insbesondere Fachkräftemangel und die Digitalisierung dar, wie bei der ersten von mehreren digitalen Teilnehmerbefragungen im Rahmen des Kongresses ermittelt wurde. Um zu sehen, was möglich ist und wie weit die Baubranche noch davon entfernt ist, lohnt sich ein Blick in andere Industrien. So sind Automobilbau, aber auch Flugzeug- und Schiffbau bereits deutliche Schritte weiter.

Mit 30 Jahren Erfahrung in der Luftfahrttechnik war Bernhard Randerath, Geschäftsführer der German Emirati Institute GmbH, daher der passende Redner zum Auftakt. Mit Schwerpunkten in der innovativen Produktentwicklung und Umsetzung in anderen Branchen zeigte er auf, wie motivierend Innovationen sein können. Dafür gilt es Wissen aufzubauen, zu managen und dieses in der Praxis umzusetzen.

Der digitale Wandel kommt

Warum sich die Baubranche bisher damit eher schwer tut, liegt wohl vor allem in der sehr divers aufgestellten und mittelständisch bis sehr klein strukturierten Branche, wie Univ.-Prof. Dr.-Ing. Katharina Klemt-Albert (RWTH Aachen University) ausführte, als sie über „Die Macht von BIM“ sprach. Dementsprechend ist ein agiles Projektmanagement gefordert, das alle Beteiligten miteinbezieht. Mit Blick auf die Bundesbauten sagte sie: „BIM ist noch nicht Standard.“ Aber es besteht, daran wurde auch im weiteren Verlauf der Veranstaltung von niemandem gezweifelt, „Übereinstimmung, dass wir so bauen werden“. Dementsprechend gelte es mehr denn je, sich mit digitalen Planungs- und Baumethoden auseinanderzusetzen. Noch sind dafür Zwischenschritte notwendig, doch die Wege zur digitalen Transformation des Bauwesens werden schon seit Jahren beschritten. Ist eine kritische Größe erreicht, kann es schnell gehen. Sind ein Betrieb oder Unternehmen bis dahin nicht für die neue Art des Bauens gerüstet, kann es sehr schwer werden, weiterhin an lukrative Aufträge zu gelangen.  

Einen entscheidenden Einfluss auf dieses Bauen der Zukunft hat die zunehmend komplexer werdende Gebäudetechnik. Hierin wiederholten sich die Sprecher teilweise, was aber umso deutlicher unterstrich, wie wichtig dieser Punkt ist.

Projekte erfolgreich managen

Prof. Dr.-Ing. Norbert Preuß, Preuss Project Partner GmbH, betonte daher auch mit Blick auf ein agiles Projektmanagement mit BIM: „Eine Organisation muss fähig sein, auf Störungen rasch und angemessen zu reagieren. Alle Projektbeteiligten sind zu informieren und mitzunehmen.“

Dr. jur. Daniel Häußermann, Zech Hochbau AG, zu der auch das TGA-Unternehmen ROM gehört, ergänzte das Thema Projektmanagement um Nachhaltigkeit, Robotics und Digitalisierung vor dem Hintergrund einer stetig steigenden Komplexität am Bau. „Schuld an der Komplexität ist die TGA“, stellte er fest und betonte, dass der Rohbau sich deutlich weniger verändert habe. Eine serielle Vorfertigung in Fabriken könne dazu beitragen, dieser Komplexität Rechnung zu tragen. Im Stadtstaat Singapur wird verlang, dass 65 % der oberirdischen Bauten aus Fertigteilen modular hergestellt werden. In Deutschland sollen bis 2030 1 Mio. Roboterarme im Bauwesen Einzug halten, verwies er auf Ziele des deutschen Robotik-Verbandes.  So sei bereits ein Patent für den Maler-Roboter von ConBotics angemeldet worden.

„TGA.Digital – Der BIM-Fachkongress zur Zukunft des Bauens“
Auf dem Podium dieser Diskussionsrunde: Bernhard Randerath, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Katharina Klemt-Albert, Prof. Dr.-Ing. Norbert Preuß, Moderatorin Dr. phil. Ines Marbach, Dr. jur. Daniel Häußermann und Christoph Ulland. (v. l.) – © Viega

Komplexität ist Hindernis für Robotik

Noch aber seien Komplexität und Individualität am Bau ein Hindernis für einen hohen Robotikeinsatz. Doch, so ließ auch die anschließende Podiumsdiskussion keinen Zweifel, werden sich die Bauberufe in Richtung Digitalisierung deutlich verändern. Hieß es vor drei, vier Jahren noch: „Welche Risiken stecken im BIM?“, lautet die Aussage heute: „Ich brauche jemanden, der BIM-Management beherrscht“, wie Preuß im Rahmen der Diskussion sagte. Diese Herausforderung kann auch zur Attraktivität der Branche beitragen und junge Menschen dazu animieren, einen der Bauberufe zu ergreifen. Man bleibt jedoch realistisch. „Es wird schwer, IT-Fachleute in die Baubranche zu locken. Wir nutzen eher Fachleute aus der Baubranche, die wir entsprechend weiterqualifizieren“, sagte Häußermann und brachte einen weiteren Punkt ins Spiel: „Der partnerschaftliche Ansatz ist ein ganz wichtiger Aspekt.“

Dabei gilt es auch, die Monteure früh ins Boot zu nehmen, wie Christoph Ulland betonte, der als SHK-Handwerksmeister das von seinem Vater 1978 gegründete Familien-Unternehmen Ulland GmbH mit 50 Mitarbeitern und Sitz in Ahaus-Alstätte in zweiter Generation leitet. So komme BIM mehr und mehr auf der Baustelle an: „Da erleichtert BIM die Arbeit – und sorgt für Akzeptanz –, wenn parallel zum Ausführungsplan auf Papier die digitale Planung beispielsweise per 3D-Viewer auf dem Tablet zur Verfügung steht; Stichwort Engstellenprüfung von Trassen.“

Das Silodenken überwinden

Um ein Bauprojekt zum Erfolg zu führen, ist es wichtig, dass übliche Silodenken der einzelnen Projektpartner zu durchbrechen und ein „Wir-Gefühl“ vom Architekten bis zum Monteur entstehen zu lassen. Darauf zielte der Vortrag von Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Iva Kovacic, TU Wien, unter dem Titel „BIM als Katalysator“ ab. Wichtig sei es dazu, zu integrativen, lebenszyklusorientierten Ansätzen in der Zusammenarbeit am Bau zu kommen.

Dazu griff sie auf das Beispiel Flugzeugbau vom Vortag zurück, der im Bauwesen allerdings nur im Neubau funktionieren dürfte. Die größte Herausforderung dürfte aber das Bauen im kulturell wertvollen und erhaltenswerten Bestand liegen. Generell brauche es dafür interdisziplinäre Teams, die parallel planen. Allerdings widerspricht dies den bisher üblichen Vergabeprozessen. Daher müssten diese geändert werden. Sie wies diesbezüglich auf das Forschungsprojekt Wohnen 4.0 hin, eine digitale Plattform, und erläuterte mit dem in Holzhybridbauweise errichteten „Gleis 21“ in Wien (gleis21.wien) auf ein Projekt, bei dem die ausführenden Unternehmen von Anfang an eingebunden waren.

Gelungene Projektbeispiele

Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. MRICS Frank Kamping, Drees & Sommer, zeigte mit dem Neubau des Firmengebäudes „OWP 12“ in Stuttgart ein weiteres gelungenes Beispiel auf (bit.ly/3F0IfKN). Er sagte in seinem Vortrag zur Modularisierung in der Gebäudetechnik: „Wir haben kein Kenntnisproblem in Deutschland, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Sinnvoll sei es, ein Gebäude in sinnvolle Teile so zu trennen, also zu clustern, dass wiederholbare Bauteile entstehen. Dies ginge auch in der TGA. Beim Projekt „OWP 12“ sei dies mit TGA-Modulen gelungen, die von Würth vorgefertigt wurden.

Quasi als Höhepunkt eines gelungenen BIM-Projekts stellten Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Christoph van Treeck, RWTH Aachen, und Ulrich Zeppenfeldt, Viega, das Projekt Viega World und damit den Veranstaltungsort vor. Dabei betonten beide, wie wichtig eine dem Planungsablauf vorangestellte projektvorbereitende „Planungsphase Null“ ist. So sei eine fundierte Bedarfsplanung die Grundlage und die TGA der zentrale Strukturgeber eines Gebäudes. „Die TGA ist die Sonne, der Rest sind die Planeten“, brachte es Zeppenfeldt auf den Punkt. Weitere Erfolgsfaktoren sind – Faszination und Begeisterung für das Projekt, – Qualität in Planung und Ausführung sowie – ein nachhaltiger Gebäudebetrieb.

Kurz gesagt: Um ein BIM-Projekt erfolgreich auf den Weg zu bringen, ist es sinnvoll, sich am Anfang ausreichend Zeit zu nehmen, um am Ende dann umso mehr Zeit zu gewinnen.

Erfolgsfaktor Kommunikation

Nicht zu vernachlässigen unter allen Erfolgsfaktoren ist die Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten und darüber hinaus. Ein gut aufgesetztes Informationsmanagement kann zu einem wesentlichen Faktor für einen gelungenen Projektverlauf werden. Dr.-Ing. Bernd Essig, Scholze-Thost GmbH, wies diesbezüglich darauf hin, wie wichtig es sei, bereits frühzeitig an den späteren Gebäudebetrieb zu denken.

„TGA.Digital – Der BIM-Fachkongress zur Zukunft des Bauens“
Die eigene Erfahrung einbringen, war live auf der Veranstaltung nicht nur mit Worten, sondern auch bei zahlreichen digitalen Fragerunden möglich. – © Si/ml

Lev Kirnats, Dimexcon GmbH, ergänzte die Vorteile einer Vorfertigung im Werk oder in der Werkstatt. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sei es aus mehrerlei Sicht sinnvoll, vorzufertigen. So könnten Mitarbeiter in Schlüsselpositionen entlastet werden und zudem durch eine Modularisierung der technischen Komponenten und der Erzeugung von Wiederholungseffekten auf Material- und Prozessebene Mitarbeiter an die TGA herangeführt werden. Wichtig sei es, funktionale Einheiten zu bilden. So seien bei einem Projekt 1.500 vorgefertigte Module mit definierter Qualität zum Einsatz gekommen. Vorbedingung hierfür sei ein ganzheitliches Denken im Projekt und die Minimierung von Schnittstellen. Zudem sei eine höhere Planungstiefe notwendig, um sinnvoll vorfertigen zu können.

Welche Möglichkeiten ein Bohrroboter auf einer großen Baustelle bieten kann, erläuterte im Anschluss Dipl.-Wirtsch.-Ing. Heike Kling, Hilti Deutschland AG. Vor der Abschlussdiskussion rundete Dipl.-Ing. Dipl.-Kfm. Bernhard Pfeifer, ZWP Ingenieur-AG Köln, mit seinem Vortrag zur Integralen Planung mit BIM im Bereich der TGA den letzten Themenkomplex ab und mahnte: „Nicht alles, was wir können, ist auch sinnvoll.“

Fazit

Und so nahmen die Teilnehmer der Veranstaltung nicht nur zahlreiche Informationen mit nach Hause, sondern auch folgende Erkenntnis: Die Digitalisierung am Bau erfordert die frühzeitige Einbindung der ausführenden Unternehmen. Da dies in den rechtlichen Vorgaben nicht vorgesehen ist, müssen diese angepasst werden. Dies bedeutet nicht, dass die im deutschsprachigen Raum vorhandenen hochwertigen Standards und Normen abgeschafft werden sollten. Sie sollten vielmehr an die heutigen Möglichkeiten angepasst werden.

Eine Folgeveranstaltung zur weiteren Entwicklung von BIM im Allgemeinen, zu BIM in der TGA und zu BIM im Bestand, letzteres eine Anregung mehrerer Teilnehmer in der Abschlussbefragung, ist daher uneingeschränkt zu befürworten.

Dieser Beitrag ist in der SI 11/2023 erschienen.