Anne M. Schüller im Interview: „Entscheidend ist Wahrhaftigkeit“

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, Bestsellerautorin und Businesscoach. In ihrem neuen Buch „Zukunft meistern – Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter“ widmet sie sich den Herausforderungen, die Unternehmer in den kommenden Jahren zu bewältigen haben. Die Si sprach mit Frau Schüller über diese Herausforderungen und ihre Lösungsansätze.

Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Expertin für Touchpoint-Management und eine kundenzentrierte Unternehmensführung.
Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Expertin für Touchpoint-Management und eine kundenzentrierte Unternehmensführung. – © Wolfgang List

Si: Sehr geehrte Frau Schüller, „Zukunft meistern“ ist Ihre mittlerweile 15. Publikation. Dem Titel entsprechend geht es darin um die Trends und Herausforderungen der nächsten Jahre. Auf welche Themen sind Sie bei Ihren Recherchen zum Buch vorrangig gestoßen?

Schüller: Die drei wesentlichen Handlungsfelder, die für unsere Wirtschaft, alle Märkte und Branchen und damit auch für das Handwerk gelten, sind Nachhaltigkeit, Transformation und Innovation. Ich nenne dies die Erfolgstriade der Zukunft. Technologien, Digitalisierung und KI sind hierbei Mittel zum Zweck. Nachhaltigkeit und Klimaschutz stehen aus meiner Sicht an vorderster Stelle, denn wenn wir unseren Heimatplaneten für uns unbewohnbar machen, ist alles andere egal. Dies wiederum erfordert eine tiefgreifende Transformation unseres derzeitigen Wirtschaftsdenkens und -handelns – und dafür brauchen wir eine Vielzahl innovativer Ideen.

Si: In Ihren Werken plädieren Sie oft für mehr Mut zur Innovation, zum Ausprobieren und sich trauen, und damit in gewisser Weise auch zum Risiko. Welchen Rat würden Sie übervorsichtigen Unternehmern gerne mit auf den Weg geben, die sich in einer „Don’t change a running system“-Mentalität wohlfühlen?

Schüller: Kein Anbieter wird den Sprung in die Zukunft schaffen, wenn er weiter das tut, was er immer schon getan hat. Nur die innovativen Unternehmen haben im Spiel der Zukunft Erfolg. Denn schon morgen will niemand mehr den Kram von gestern. Natürlich reißt niemand alle Mauern gleichzeitig ein, denn dann fällt einem das Dach auf den Kopf. Deshalb empfehle ich Quick Wins. Quick Wins sind schnelle Erfolge, die angepeilt werden können und müssen, um rasch aus dem Startblock zu kommen. Man geht in Schritten voran, experimentiert und probiert Dinge aus. Nichts ist mehr final. Wir leben in Hochgeschwindigkeits-Windwasserzeiten, alles Neue kommt unerwartet und schnell.

Si: Bereitschaft zur Innovation bedeutet nicht zuletzt auch eine gewisse Bereitschaft zur Investition, und die Biografien vieler Entrepeneurs sind gespickt mit Geschichten zahlreicher Fehlschläge, bevor eine Idee schließlich zum Erfolg führte. Das kann durchaus Angst machen. Welche Vorkehrungen kann man treffen, damit auch ein Fehlversuch nicht gleich im persönlichen Ruin endet? Und welche Fehler gilt es zu vermeiden?

Schüller: Bei den Entrepreneuren läuft das ein wenig anders. Sie iterieren und pivotieren, das heißt: Sie probieren alles Mögliche aus, kalkulieren ein frühes Scheitern mit ein, um sich schließlich nur noch auf das zu konzentrieren, was am Markt funktioniert. „Start many, try cheap, fail early”, heißt das Prinzip, was bedeutet: Viele Projekte starten, sie mit kleinen Mitteln testen, Flops schnell erkennen und zügig das eliminieren, was beim Kunden nicht ankommt. Daran kann man sich auch als klassischer Unternehmer halten. Der größte Fehler hingegen ist nach wie vor der, zu glauben, dass man es selbst am besten kann. Viele kluge Köpfe wissen immer mehr als einer allein. Wer innoviert, sollte bereits in frühen Phasen Mitarbeitende und Kunden einbeziehen, sich also von Dritten umfänglich beraten lassen.

Die neueste Veröffentlichung von Anne M. Schüller: Zukunft meistern – Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter.
Die neueste Veröffentlichung von Anne M. Schüller: Zukunft meistern – Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter. – © Gabal Verlag 2024

Si: Die anhaltende Notwendigkeit zur Digitalisierung stellt manche Unternehmen immer noch vor große Herausforderungen. Im SHK-Bereich reicht die Umsetzung dieser zukunftsweisenden Aufgabe aktuell noch von vorbildlich bis verbesserungswürdig. Welche Schwierigkeiten nehmen Sie beim Thema Digitalisierung in Unternehmen wahr?

Schüller: Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Widerstand zwecklos. Leider warten die meisten zu lange und kommen dann in Stress, weil die Adaptionsspanne sinkt. „Später“ heißt in rasanten Zeiten wie den unseren eben sehr schnell „zu spät“. Wir haben immer die Wahl. Wir können klagen und tatenlos warten, bis zum Beispiel KI uns vertreibt. Oder wir nutzen die jeweils neueste verfügbare Technologie, um das Beste aus einem Mensch-Maschine-Zusammenwirken zu machen. Die eigene Produktivität und dadurch auch die des gesamten Unternehmens kann durch KI maßgeblich gesteigert werden. Insofern muss es zum einen gelingen, alle Mitarbeitenden rasch mit den neuesten nützlichen Technologien vertraut zu machen. Zum anderen gilt es, passende digitale Anwendungen zu integrieren und im weiteren Verlauf rasch durch noch performantere zu ersetzen.

Si: Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist, wie Sie ja bereits sagten, ein vorrangiger Punkt, der in Zukunft wohl auch noch zunehmen wird. Worauf müssen Unternehmer bei ihrer Nachhaltigkeits-Strategie achten, um dem Bestreben nach mehr Umweltfreundlichkeit auch wirklich gerecht zu werden?

Schüller: Da wären jetzt so viele Punkte zu nennen, das würde den Rahmen hier sprengen. Dazu verweise ich gern auf mein Buch. Es enthält nicht nur die notwendigen Aspekte, sondern auch eine detaillierte Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie sich das in die Tat umsetzen lässt. Entscheidend dabei ist die Wahrhaftigkeit. „Greenwashing“, also nur so zu tun als ob, wird zunehmend enttarnt. Dann wird man an den Pranger gestellt, bekommt einen Shitstorm. Und das kann richtig böse enden. Die Kunden der Zukunft verlangen immer mehr „green“, der Trend ist längst in Gange. Handeln wir nicht, werden sich viele das Klima, das wir in Zukunft haben, nicht mehr leisten können. Das heißt, wenn wir länger warten, wird es umso teurer.

Si: Das Konzept der „kundenzentrierten Unternehmensführung“ findet sich überall in Ihrer Arbeit. Wie genau ist der Begriff zu verstehen? In der SHK-Branche spielt ja besonders die regionale Nähe zum Kunden oft eine wichtige Rolle …

Schüller: Kundenzentrierte Unternehmen erreichen eine Vorrangstellung nicht durch das, was sie tun, sondern darüber, wie der Kunde dies wahrnimmt – und was er Dritten dazu erzählt. Gutes Handwerk ist eine feine Sache, und Regionalität liegt im Trend. Doch letztlich: Dass eine Leistung funktional gut erbracht wird, das stellt den Kunden „nur“ zufrieden. Die wirkungsvollste Form der Neukundengewinnung, im Handwerk ist das wohlbekannt, ist die Weiterempfehlung. Dafür muss der Kunde wirklich begeistert sein. Menschen kaufen keine Produkte und Services. Sie kaufen Emotionen, Geschichten und Magie. Nicht das austauschbare Produkt, sondern die höchste Kundenfaszination bestimmt über Top oder Flop. Dazu hier die entscheidende Frage: „Wie können wir die Dinge für den Kunden noch besser lösen, sein Leben noch an[1]genehmer machen – und so weitererzählbare Erlebnisse schaffen?“

Si: Frau Schüller, vielen Dank für diese spannenden Einblicke.

www.anneschueller.de