Digitalisierung von Arbeitsprozessen

Die Digitalisierung von Arbeitsprozessen stellt für Handwerksunternehmen eine Herausforderung dar. Dabei gibt es eine Reihe von Fragen zu klären: Wie etwa sollte man mit Digitaltools starten? Welche Schritte sind wichtig? Wie nimmt man die Mitarbeiter mit? Dazu führten Si-Redakteur Marcus Lauster und Dominik Hartmann, CEO von OneQrew und Vorstandsmitglied im BVBS, ein Gespräch.

Dominik Hartmann, CEO von OneQrew und Vorstandsmitglied im BVBS.
Dominik Hartmann, CEO von OneQrew und Vorstandsmitglied im BVBS. – © OneQrew

Si: Hallo Dominik, es freut mich, dass du dir die Zeit für ein Gespräch nimmst. Wir kennen uns inzwischen schon einige Zeit. Du bist neben deiner Tätigkeit bei OneQrew auch im Vorstand des Bundesverbands Bausoftware e. V. (BVBS) aktiv. Dieser hat gerade erst im September seine Umbenennung bekannt gegeben. Er nennt sich nun „Bundesverband Software und Digitalisierung im Bauwesen e. V.“. Es liegt nahe, dass die Umbenennung etwas mit der zunehmenden Bedeutung der Digitalisierung im Bauwesen zu tun hat.

Dominik Hartmann: Wir wollten nach 30 Jahren, die der Verband nun bereits besteht, auch im Namen selbst ein starkes Zeichen für die Digitalisierung setzen. Uns ist es ein Anliegen, damit deutlich
zu machen, dass Software und Digitalisierung untrennbar zusammengehören. Beide sind gleichermaßen wichtig, um das Bauwesen in die Zukunft zu führen.

Si: Danke, Dominik, damit sind wir bereits mitten im Thema. Eine Hauptmotivation vieler Handwerksbetriebe, sich mit der Digitalisierung von Arbeitsprozessen zu beschäftigen, liegt in der Entlastung von Verwaltungsaufgaben – insbesondere für erfahrene Mitarbeiter mit ihrem langjährigen, fachlichen Know-how. In Zeiten des Fachkräftemangels ist dies sicher ein wichtiger Schritt. Wie kann der Einstieg in die Digitalisierung gelingen?

Hartmann: Es ist ein breites Thema, Marcus. Ich möchte es spitz beantworten: Das mit dem Fachkräftemangel stimmt. Auch unsere Kunden melden uns zurück: „Wir müssen uns dem Thema Effizienz widmen.“ Das bedeutet, dass sie den Fokus auf das Handwerk, auf die Tätigkeiten beim Endkunden auf der Baustelle richten. Es geht
darum, Software und Digitalisierung als Chance zur Entbürokratisierung zu sehen. Es geht konkret darum, Dinge loszuwerden, die im Alltag eines Handwerkers nur aufhalten und ihn daran hindern, seiner Leidenschaft, dem Handwerk, nachzukommen.

Si: Und da kommt die Software ins Spiel?

Hartmann: Genau, in diesem Sinn sind alle unsere Lösungen darauf ausgerichtet, Automatismen anzubieten. Dazu kommen die Vorteile von Technologie bis hin zu Künstlicher Intelligenz. Diese wollen wir im Nachgang demokratisieren, sprich für jeden nutzbar machen. Wir sprechen immer davon, dass unsere Digitalisierungslösungen wie ein mobiles Helferlein, also wie das Lieblingswerkzeug im Werkzeuggürtel unserer Kunden, diese durch ihren Arbeitsalltag begleiten.

Si: Dafür müssen aber die Voraussetzungen geschaffen werden.

Hartmann: Richtig. Ganz konkret bedeutet das für den TGA-Bereich und das SHK-Handwerk, dass wir mehr ausbilden müssen. Ich glaube, da müssen wir das Handwerk an sich attraktiver machen. Darüber haben wir schon einmal gesprochen, dass die Ausbildungszahlen gegenüber den 1990er-Jahren deutlich zurückgegangen sind. Da spielt die Digitalisierung für uns eine große Rolle, weil moderne und auch einfach anzuwendende Systeme für junge Leute attraktiv sind. Sie benutzen auch Apps intuitiver als ein Telefax-Gerät.

Und wir wollen auch Fachkräfte aus dem Ausland anwerben. Da helfen sehr komplexe, auf Deutsch formulierte Arbeitsanweisungen weniger als die smarte App, die in kurzen Schritten Anwender in die Arbeit integrieren kann. Und um auf deine Frage mit den erfahrenen Fachkräften zurückzukommen, sehen wir zwei Wege: Das ist zum einen die Technologieunterstützung aus der Robotik mit Exoskeletten und Baubots, damit diese länger in Arbeit bleiben können.

Zum anderen muss es Wege geben, um die Erfahrung von Meistern besser nutzen zu können. Für uns heißt das, der Meister kann auch auf der Baustelle mit seinem Tablet in der Kundeninteraktion und in der Steuerung seines Teams aktiv bleiben. Er kann damit den Übergang zu einem guten Ausbilder hinbekommen,indem das, was er als Erfahrungswissen hat, bei uns in der Software als künftige Automatismen und Funktionen hinterlegt wird. Insofern sehen wir die Digitalisierung grundsätzlich als Chance, effizienter zu werden, als Chance, mehr Zeit im Gewerk zu verbringen und damit für die Gesamtgesellschaft mehr Leistung, mehr Dienstleistungszeit zur Verfügung zu stellen.

Si: Um auf den Einstieg deiner Antwort mit den Berufsanfängern zurückzukommen. Müssen wir dann die Berufsschulen ertüchtigen, in dem Sinn, dass sie mehr Softwaretools in der Ausbildung verwenden?

Hartmann: Ich finde die Idee sehr gut. Wir unterstützen die Meisterschulen heute schon. Ich denke, dass Taifun knapp 50 % der Meisterschulen mit kostenfreier Software und entsprechend auch Trainings der Ausbilder unterstützt. Damit sollen die jungen Handwerker, die bereit sind, ein Unternehmen zu gründen, wissen: So muss ich von Anfang an nicht mit Zettel und Stift oder mit Word und Excel hantieren, sondern kann mit einer modernen Lösung arbeiten, die mich als Unternehmer unterstützt. Ich gehe sogar noch weiter:

Wenn wir es können, sind wir für jede Meisterschule offen und sagen bei Interesse: Fragt uns doch!

Dominik Hartmann

Wir helfen damit, Digitalisierung in die Ausbildung zu bringen. Denn wir wissen, es lohnt sich gesamtgesellschaftlich. Darüber hinaus gibt es noch den Aspekt der mobilen Lösungen. Über die ERP-Lösungen und die Software im Büro hinaus, gibt es noch den Aspekt der mobilen Lösungen. Und ich denke mit diesen mobilen Lösungen wird das Handwerk per se noch einmal ein Stück attraktiver. Es zeigt doch die Zukunftsorientiertheit, wenn ich – statt mit dem Zollstock – mit der Aufmaß-App auf der Baustelle aktiv bin oder den Kunden mit einer Visualisierung von CAD-gerenderten Situationen überzeugen kann. Insofern, ein Ja. Die Schulen müssen investieren.

Si: Muss sich dann auch gesellschaftlich etwas ändern?

Digitalisierung kann Handwerksbetriebe zu mehr Effizienz verhelfen.
Digitalisierung kann Handwerksbetriebe zu mehr Effizienz verhelfen. Folglich können so die Einsatzzeiten auf den Baustellen deutlich erhöht werden. – © Taifun Software

Hartmann: In der Tat. Wir müssen weg von der Idee, dass jeder über den gymnasialen Bildungsweg in ein Studium geht, hin zu mehr Wertschätzung zum Handwerk. Ich glaube, da dreht sich die Welt schon. Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass gerade die Wissensarbeiter und die entsprechenden Studiengänge durch Künstliche Intelligenz viel schneller herausgefordert werden, während das echte Handwerk auf absehbare Zeit nicht durch vollkommene Robotik ergänzt oder ersetzt werden wird?

Si: Ein interessanter Aspekt. Schauen wir doch nun auf einen Betrieb, der ganz am Anfang der Digitalisierung steht. Kann er das selber leisten oder ist ein Blick von außen durch z. B. externe Berater gerade für den ersten Anstoß sinnvoll?

Hartmann: Wir haben da als Unternehmensgruppe OneQrew aktuell zwei Antworten:

  1. Bei sehr großen Betrieben liegt eine Besonderheit oft in spezifischen Prozessen. Wir müssen diese Prozesse analysieren und auch herausfordern: Macht man das heute noch so? Denn häufig ist die Prozessbegründung: „Wir haben das schon immer so gemacht.“
    In solchen Fällen ist der Berater vor Ort gefragt. Er leistet allein durch die Art der Softwareeinführung einen entscheidenden
    Beitrag.
  2. Für die anderen Betriebe – und da möchte ich namentlich nochmal Taifun aus der OneQrew-Plattform nennen – sehen wir uns eher wie eine Lösung im Stil von Microsoft Office. Da haben wir den Anspruch, den Prozess des SHK-Handwerkers optimal zu unterstützen.
    Da schauen wir auf zehntausend Kunden, die Taifun einsetzen, uns über den Support Rückmeldung geben und mittlerweile seit 37 Jahren widerspiegeln: „Das hilft mir! Ich könnte mir vorstellen, an dieser oder jener Stelle noch Unterstützung zu haben.“
    Dank dieses Kunden-Feedbacks und unseren Bemühungen, auch immer zu verstehen, warum Handwerker diese Needs haben, können wir eine Software anbieten, die bereits im Standard viele Fragen beantwortet. Da ist unser Anspruch: Wir kommen mit einem Support-Mitarbeiter, der die Installation bei dir als SHK-Betrieb macht, direkt ins Haus. Und die Software führt dich durch ganz viele der Prozesse – also von der Angebotserstellung oder dem Blick auf offene Posten, einer zentralen Beschaffungslösung bis hin zum Mahnwesen und Inkasso-Themen. Wir wollen, dass auch komplexere Prozesse einfach beherrscht werden können. Wir sind an dieser Stelle auch ein digitaler Unternehmensberater und das im Standard dieser Software.

Si: Es gibt aber nicht nur eure Software.Daher meine Frage an dich in deiner Funktion im Vorstand des BVBS: Wie findet das Handwerksunternehmen die individuell passende Software?

Hartmann: Aus BVBS-Sicht ist das besonders spannend. Da das Vorgehen nicht ganz billig ist, suchen sich größere Handwerksunternehmen einen Auswahlberater, der Handwerksoftware verstanden hat und die großen Anbieter wie Label, M-Soft, pds, Taifun, VenDoc kennt. Dieser berät dann aus seiner Erfahrung heraus auf Basis der jeweiligen Needs und gibt hinsichtlich Anbieter die individuelle Empfehlung ab.

Für kleinere Unternehmen wäre mein Vorschlag: Frage im Umkreis deiner Handwerkerkollegen, in deinem Bekanntenkreis, aktiv nach Referenzen und Empfehlungen. Für Taifun kann ich sagen, dass viele unserer Neukunden über diese Referenzen und Empfehlungen zu uns finden. Und dann kommt ein zweiter Aspekt hinzu: Bei der Suche nach Softwareanbietern auf etablierte Anbieter setzen. Damit will ich nichts gegen die innovativen Start-ups sagen. Aber an dieser Stelle ist auch Teil der Wahrheit: Es gibt nicht nur eine Neubaukrise, sondern auch eine bei Start-ups – vor allem, weil die Finanzierungen immer schwieriger werden. Und da ist es aus Technologiesicht und aus der Leidenschaft der Gründer für ihre Unternehmen ein deutliches „leider“, dass häufig auch die Anschlussfinanzierung fehlt. Besser sieht es bei Unternehmen aus, die sich bereits finanziell selbst tragen.

Si: Gehen wir an dieser Stelle einen Schritt weiter mit folgender Annahme: Als SHK-Betrieb möchte ich stärker auf Digitalisierung setzen und habe auch die für mich richtigen Tools ausgewählt. Wie nehme ich nun meine Mitarbeiter mit? Gibt es da aus Sicht des BVBS Tipps für das weitere Vorgehen?

Hartmann: Allgemein gesprochen und damit aus BVBS-Sicht: Wenn du dich als Handwerker mit deiner Software und den damit einhergehenden Änderungen im Arbeitsalltag deiner Mitarbeiter beschäftigst, musst du dir im Klaren sein, dass es im Kern auch eine Change-Management-Aufgabe ist. Damit hast du zwar für dich bereits die Entscheidung hin zur Digitalisierung getroffen, aber du musst auch noch deine Mannschaft mitnehmen. Und da sagt man immer wieder: „Kümmere dich um das ‚Warum!‘.“

Allein das Übergeben eines Smartphones mit der Ansage „Ich möchte, dass du ab sofort deine Arbeit mit Bildern dokumentierst, deine Zeit auch mit Geolocation tracken lässt, um zu dokumentieren, wie viel Zeit du auf der Baustelle hast“, kann verschiedene Fragen beim Gegenüber auslösen: „Vertraut mir mein Chef nicht?“, „Bin ich zu langsam?“, „Haben die Kollegen etwas über meine Arbeitsweise gesagt?“

Wenn aber den Mitarbeitern das „Warum?“ klar kommuniziert wird, beispielsweise als folgendes Argument: „Wir konnten im letzten Jahr Handwerksleistungen für 30.000 Euro nicht abrechnen. Warum? Weil die Auftraggeberseite gesagt hat, diese Handwerksleistungen wurden nicht oder fehlerhaft erbracht“, erhalten das Dokumentieren und Tracken nun einen nachvollziehbaren Grund: Mit der Software haben wir die Möglichkeit, am Morgen ein Foto mit dem Smartphone von der Baustelle und abends nach getaner Arbeit zu machen.

Mit der Software können wir fehlerfrei dokumentieren, wie viel Zeit wir auf der Baustelle verbracht haben. Abends können die Fotodokumentation, die erfasste Zeit sowie die Standortdaten ins Büro überspielt werden, sodass theoretisch bereits am nächsten Tag die Rechnung gestellt werden kann. Für den Bauleiter ist somit unsere Arbeit lückenlos dokumentierbar und auch nachträgliche Schäden, etwa im Zuge von Vandalismus aufgrund einer ungesicherten Baustelle, können von uns ausgeschlossen werden.

Wenn so die Mitarbeiter mitgenommen werden und sie die Vorteile verstehen, werden sie die Einführung der Software mittragen.

Dominik Hartmann

Daher mein Appell: Innovation braucht Change-Management.

Si: Dazu kommen sicher weitere Effizienzvorteile.

Hartmann: Denken wir allein schon an die Vermeidung von unnötigen Wegen, etwa wenn man bereits das richtige Werkzeug und Material mitgenommen hat und nicht schnell noch einmal zum nächsten Logistikstützpunkt des Großhandels fahren muss. Und jeder Handwerker
freut sich, wenn er – statt noch einmal in die Firma zu fahren und Zettel mit Zeiten und erledigten Aufgaben abzugeben – direkt in den Feierabend gehen kann.

Si: Welchen Service kannst du aus deiner Sicht als Softwareanbieter möglichen Kunden noch anbieten?

Hartmann: Wenn wir z. B. mit Taifun eine Software beim Kunden installieren, sprechen wir auch darüber, welche die besten Schritte für die Einführung sind. Die Begleitung durch die Consultants ist immer auch ein Teil davon, weil wir Schulungen für die Kunden vor Ort machen.
Bei größeren Projekten und größeren Investments ist die Geschäftsführung in der Regel bereit, Schulungen zu finanzieren, damit die Software schneller und besser genutzt wird.

Si: Gibt es da einen Richtwert, ab dem es sich lohnt, in eine Schulung zu investieren?

Hartmann: Die mobile App schult sich meist von allein, weil sie so intuitiv ist – bei komplexeren Themen ist dies über Videos und Webinare möglich. Größere Schulungen bedingen, dass der Kunde viele ähnliche Nutzer hat. Wenn der Kunde für das ERP-System im Hintergrund
drei bis fünf Leute hat, kann sich eine Schulung schon lohnen, um zu zeigen: Wie lege ich neue Angebote an und wie binde ich einen neuen Großhändler ein? Und am Ende ist ein guter Support, eine gute Wartungshotline, für alle Anbieter entscheidend. Es geht darum, dass selbst weniger IT-affine Mitarbeiter schnell in der Lage sind, mit der Software zu arbeiten. Das ist kein Ersatz für eine Schulung am Anfang, aber ein wichtiger Aspekt bei der Softwareauswahl.

Si: Vielen Dank, Dominik, damit haben wir den Themenkreis geschlossen. Ich freue mich, wenn wir das Gespräch auf der Fachmesse digitalBau im Februar 2024 fortsetzen können.

Dieses Interview ist in der SI 11/2023 erschienen.