» FGK bietet kompetente und umfangreiche Unterstützungsarbeit «

Aktuell viel diskutiert werden Themen wie richtiges Lüften, Raumluftqualität oder optimale Raumluftfeuchte. Auch die Politik trägt mit einem Förderprogramm der Erkenntnis Rechnung, dass raumlufttechnische Anlagen deutlich zur Reduktion der Infektionsgefahr in Gebäuden beitragen. Mit der Si-Redaktion sprach Günther Mertz, Geschäftsführer des Fachverbands Gebäude-­Klima e. V. (FGK) darüber, worauf es dabei besonders ankommt.

Günther Mertz M. A., Geschäftsführer des Fachverband Gebäude-Klima e. V. (FGK) – © FGK e. V.

Si: Herr Mertz, in der allgemeinen Wahrnehmung war es bisher doch immer so, dass im Vergleich zur Sanitär- und Heizungs­technik der Lüftungs- und Klimatechnik-Branche nicht immer die Aufmerksamkeit geschenkt wurde, die ihr eigentlich zusteht. I­nwieweit hat sich das nun im letzten Jahr geändert?

Günther Mertz: Luft ist zweifellos unser wichtigstes Lebensmittel. Insofern sind wir gut beraten, ihr eine ganz besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Und dass dem nicht immer so war und ist, mag vielleicht auch daran liegen, dass man sie als Selbstverständlichkeit hinnimmt. Hohe Aufmerksamkeit erfährt die Klimatechnik dann, wenn Räume im Sommer aufgrund hoher Temperaturen und Feuchtewerte nur qualvoll benutzt werden können. Seitdem bekannt und wissenschaftlich belegt ist, dass Lüftung in Räumen und Gebäuden für eine Verringerung der Aerosollast und damit für ­eine Reduzierung des Infektionsrisikos sorgt, ist die Lüftungstechnik plötzlich in ein völlig neues Licht – in ein sehr ­positives – gerückt.

Si: Und wie lief damit das Geschäft für die Lüftungs- und ­Klimatechnik-Branche im Jahr 2020?

Mertz: Zu Beginn der Pandemiezeit ­hatte die Klima- und ­Lüftungsindustrie noch einen enormen Auftragsvorlauf ­abzuarbeiten. Im Herbst 2020 gab es ­eine leichte Delle, doch mittlerweile sind viele Unternehmen wieder auf Vor-­Pandemie-Niveau. Und der Anlagenbau ist nach wie vor ­sehr gut ausgelastet.

Si: Aufgrund der der Covid-19-Situation sind öffentliche und ­halböffentliche Bereiche bzw. Bürogebäude in den Fokus des ­Interesses gerückt. Wie stellt sich hier ­eigentlich der Istzustand, speziell auch in den deutschen Schulen, betreffend der Lüftungstechnik dar?

Mertz: Gerade in Schulgebäuden ergibt sich ein jämmer­-liches Bild.

» Weniger als zehn Prozent der Schulgebäude sind mechanisch be- und entlüftet, CO2-Werte von bis zu 5.000 ppm sind ­keine Seltenheit. «

Seit vielen Jahren haben wir das Thema „Schullüftung“ im ­Fokus, an unseren Road-Shows nahmen über 1.000 Behördenvertreter teil. Getan hat sich leider nur sehr wenig. Bereits im späten Frühjahr 2020 haben wir in Fernseh- und Hörfunkinterviews massiv davor gewarnt, dass eine zweite Welle in der kalten Jahreszeit insbesondere Schulen treffen würde. Mit diesen Warnungen konnten wir so gut wie nichts bewirken, zu Beginn des Winters waren Schulleiter und Lehrer völlig überrascht, dass durch geöffnete Fenster kalte Luft und Lärm in die Klassenzimmer eindringen.

Si: Was sind die häufigsten Probleme und Mängel, die Sie bei ­Bestandsanlagen feststellen?

Mertz: Aus Untersuchungen wissen wir, dass rund 60 Prozent der RLT-Anlagen im Bestand 30 Jahre und älter sind. Dass diese Anlagen, zumal dann, wenn sie nicht ordnungsgemäß instandgehalten werden, nicht unbedingt den aktuellen Anforderungen an Energieeffizienz und Hygiene entsprechen, ist selbstredend. Für beide Bereiche gibt es hohen Sanierungs- und Instandhaltungsbedarf.

Si: Worauf ist für einen hygienegerechten Betrieb und der Nutzung von lüftungstechnischen Anlagen grundsätzlich zu achten?

Mertz: Entscheidend ist, wie bereits erwähnt, die Instandhaltung der Anlagen. Hierzu gehören eine qualifizierte Wartung und Reinigung ebenso wie der Einbau bedarfsgerechter Filter und Filterstufen.

Si: In Zeiten von Covid-19 ist bei der ­Lüftung von bzw. der Luftqualität in ­Klassenzimmer was ganz besonders ­wichtig?

Mertz: Das, was für alle Räume gilt, in denen sich Personen aufhalten: Ausreichende Frischluftzufuhr und Filterung, hygienisch akzeptable CO2-Werte und ein thermisch behagliches Umfeld.

Si: Wie sieht eine richtig geplante Lüftungsanlage aus bzw. was muss im Zuge einer Anlagensanierung oder -aufrüstung ­unbedingt Berücksichtigung finden?

Mertz: Erfüllt werden müssen die in der Antwort der vorherigen Frage formulierten Anforderungen. Idealerweise sollten die Anforderungen der Kategorie 1 der EN 16798-1 erfüllt werden. Hierzu erstellt der FGK im Moment eine umfassende ­Informationsschrift, die wir dann u. a. auch an Planer und ­Betreiber weitergeben wollen.

Si: Speziell auch in der Hotellerie kommt der Lüftungs- und ­Klimatechnik eine besondere Bedeutung zu. In diesem Segment zeichnet sich eine gute Anlage durch welche Eigenschaften aus?

Mertz: Auch im Hotel müssen die o. g. Anforderungen erfüllt werden. Ein vielleicht noch wichtigeres Augenmerk muss auf die Akustik in den Hotelzimmern gelegt werden. Vor komplexen RLT-Anlagen in Hotels habe ich höchsten Respekt, da dort die unterschiedlichsten Zonen wie Wellnessbereiche, Großküche, Konferenzräume und Hotelzimmer raumluft­technisch behandelt werden müssen.

Si: Aktuell werden zunehmend mehr Raumluftreinigungsgeräte und Lüftungs-/Filtersysteme am Markt angeboten. Wie sehen Sie diese Entwicklung und worauf sollte man bei einer Anschaffung Wert ­legen?

Mertz: Gute Luftreinigungsgeräte sind auf jeden Fall in der ­Lage, das Infektionsrisiko in Räumen deutlich zu reduzieren. Insofern ist die enorme Nachfrage nach diesen Geräten ­verständlich und nachvollziehbar.
Wir müssen jedoch darauf achten, dass der Einsatz solcher Geräte in keiner Weise die Lüftung und die Frischluftzufuhr ersetzen kann.

Si: Vor einem Jahr leistete Ihr Fachverband viel Aufklärungs­arbeit für die Bedeutung der richtigen Raumluftfeuchtigkeit. ­Welche wichtige Rolle spielt diese?

Mertz: Aus vielen Untersuchungen wissen wir, dass beispielsweise Bakterien, Viren, Pilze, Milben und anderen Allergene außerhalb des Bereiches von 40 bis 60 Prozent relativer Luftfeuchte ihre bestmöglichen Entwicklungen zeigen.

» Deshalb muss zur Sicherstellung ­hygienischer Innenraumverhältnisse die Luftfeuchte zwischen 40 und 60 Prozent ­liegen. «

Dies muss für alle Räume gelten, in ­denen sich Menschen über längere ­Zeiträume aufhalten.

Si: Seit Oktober 2020 und noch bis Ende 2021 kann die Bundesförderung für die ­Corona-gerechte Um- und Aufrüstung von raumlufttechnischen Anlagen in öffentlichen Gebäuden und Versammlungsstätten beim BAFA beantragt werden. 500 Millionen Euro stehen zur Verfügung. Was wird hierbei genau gefördert und geht diese Unterstützung aus Ihrer Sicht weit genug?

Mertz: Zunächst muss anerkannt und lobend erwähnt werden, dass die Bundesregierung erkannt hat, welche Rolle die Lüftungstechnik im Kontext der ­Pandemie spielt. Nur so ist zu erklären, dass sie für die Corona-gerechte Um- und Auf­rüstung von RLT-Anlagen 500 Mio. Euro zur Verfügung stellt. ­Gefördert werden vorrangig Maßnahmen zur Reduzierung des Umluftanteils und für Filter-Upgrades. Dass lediglich Bestandsanlagen angesprochen werden, heißt, dass das hochsensible Feld der Schulgebäude im Prinzip unbeachtet bleibt. Auch stehen mobile Luftreinigungsgeräte nicht auf der Liste der Fördertatbestände. Dennoch müssen die Ansätze des ­Förderprogramms als positiv bezeichnet werden.

Si: Welche Entwicklungen beobachten Sie bei der zentralen/­dezentralen Wohnraumlüftung bzw. der Komfortlüftung im ­Privatbereich?

Mertz: Unsere Markterhebungen zeigen, dass der Markt der zentralen Geräte in den letzten Jahren einen leichten Abwärtstrend aufzeigt. Eine sehr deutliche Zunahme erfahren dezen­trale Systeme, wobei wir davon ausgehen, dass diese positive Entwicklung dem Sanierungsmarkt geschuldet ist.

Si: Welche Unterstützung bietet bzw. mit welchen Anliegen ­dürfen sich An­lagen­betreiber, Planer oder Handwerk an den der Fachverband Gebäude-Klima e. V., der ja der führende Verband der deutschen ­Klima- und Lüftungsindustrie ist, wenden?

Mertz: Mit unseren Handlungsanleitungen und unseren stark frequentierten Online-Seminaren haben wir gerade in den letzten zwölf Monaten eine umfangreiche Unterstützungs­arbeit geleistet. Interessenten aus den unterschiedlichsten Branchen- und Nutzersegmenten wenden sich mit den unterschiedlichsten Fragen an uns. Diese können lüftungsrelevante Alltagssorgen von ­„Lieschen Müller“ ebenso betreffen wie ­Fragen zu komplexen planerischen Aufgaben. Der FGK hat erfreulicher­weise die Kompetenz, für ein sehr breites Anfragenspektrum zur Verfügung zu stehen.

Si: Auch mit Ihrer Kampagne „Ventilatortausch macht’s effizient“ informieren Sie seit einigen Jahren Betreiber von Nichtwohngebäuden über die attraktiven öffentlichen Förderprogramme, die Energieeffizienz und den Beitrag zum Klimaschutz. Wie läuft die Kampagne und was konnten Sie bisher damit erreichen?

Mertz: Stimmt, die Kampagne läuft bereits seit einigen Jahren und hat mittlerweile schon den dritten Bundeswirtschafts­minister als Schirmherrn. Belastbare Erfolgskontrollen solcher Kampagnen sind immer schwierig, die Ventilatorenindustrie hat uns jedoch schon mehrfach mitgeteilt, dass der Retrofit-Bereich deutlich zugenommen habe. Außerdem dürfen wir uns auf die Fahnen schreiben, dass die relevanten Fördermaßnahmen beibehalten und verstetigt werden konnten.

Si: Welche Rolle und Aufgaben würden Sie im Bereich der ­Lüftungs- und Klimatechnik beim Fachhandwerk sehen und wie kann dieses davon profitieren?

Mertz: Die Unternehmen des SHK- und Kälteanlagenbauerhandwerks spielen gerade für die Wohnungslüftung und die Raumklimageräte im Komfortbereich eine entscheidende ­Rolle. Viele Handwerksunternehmen haben es verstanden, ­erfolgreiche und langfristig angelegte Geschäftsmodelle zu entwickeln.

» Wir können nur jedem Handwerker empfehlen, sich, je nach Qualifikation, des Themas Kälte-, Klima- und Lüftungstechnik ernsthaft anzunehmen. «

Si: Abschließend noch die Frage, was wünschen Sie sich ­allgemein für die weitere Entwicklung der Lüftungs- und ­Klimatechnik?

Mertz: Aus der aktuellen Situation heraus würde ich mir ­wünschen, dass die Klima- und Lüftungstechnik und die „Luft als Lebensmittel“ auch außerhalb kritischer Pandemiezeiten einen hohen Stellenwert beibehalten. Hygienische Raumluftverhältnisse, Indoor Air Quality und thermische ­Behaglichkeit stellen auch ohne Corona ein elementares Grundbedürfnis dar. (md)

www.fgk.de

www.ventilatorentausch.de/