Forderungsausfälle: Unternehmen schützen sich zu wenig

Das Ergebnis des European Payment Report 2016 bestätigt, dass sich Unternehmen zu wenig vor Forderungsausfällen schützen. Die verspäteten Zahlungen verhindern Wachstum und neue Arbeitsplätze.

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    Das White Paper von Intrum Justitia basiert auf den Daten des European Payment Reports (EPR) und analysiert diese neu nach Wirtschaftssektoren. Während der EPR Durchschnittswerte über alle Branchen ausweist, gibt das White Paper einen Einblick in das Zahlungsverhalten der Kunden in den unterschiedlichen Sektoren.
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    © Quelle: https://www.intrum.com/de
    Viele Unternehmen sehen sich gezwungen, längere Zahlungsfristen zu akzeptieren.

Der European Payment Report basiert auf einer jährlichen Befragung von Unternehmen in Europa zum Einfluss von Zahlungsverzug auf die Entwicklung und das Wachstum der Unternehmen.

Viele europäische Unternehmen haben Schwierigkeiten, da ihre Kunden Rechnungen nicht fristgemäß bezahlen. So das Ergebnis des European Payment Reports 2016 (EPR) von Intrum Justitia, bei dem mehrere tausend Unternehmen Einblicke in das Zahlungsverhalten ihrer Kunden gegeben haben. Die Öffentliche Hand lässt dabei europaweit am längsten auf den Geldeingang warten: Die Zahlungen verspäten sich hier im Schnitt um 7,2 Tage. Unternehmenskunden lassen sich durchschnittlich 5,6 Tage mehr Zeit als vorgegeben, während Privatkunden nur 0,9 Tage im Verzug sind.

Verspätete Zahlungen sind nicht nur für das einzelne Unternehmen ein Problem, sondern auch für die Wirtschaft insgesamt. „Mit mittlerer bis hoher Wahrscheinlichkeit würden mehr Mitarbeiter eingestellt, wenn schneller bezahlt würde“, sagt Patrick Kriegel, Mitglied der Geschäftsleitung von Intrum Justitia Deutschland. Das sagen auch die Unternehmen in Deutschland: 85 Prozent der kleineren und mittleren Unternehmen und auch 42 Prozent der Großunternehmen, die an der Studie teilgenommen haben. Dennoch sind die Zahlen für Deutschland auf den ersten Blick insgesamt eher positiv. Die Diskrepanz zwischen gewährten Zahlungsfristen und deren Überschreitung ist relativ gering im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Auf der anderen Seite werden allerdings beispielsweise in der Baubranche auch extrem lange Zahlungsziele angeboten und akzeptiert.

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Ergebnisse für Deutschland

Die Branchenanalyse zeigte Besonderheiten und größere Abweichungen zu den europäischen Durchschnittswerten. Die gab es unter anderem im deutschen Baugewerbe. Dort sagen bemerkenswerte 98 Prozent der Befragten, dass durch ein schnelleres Zahlungsverhalten „wahrscheinlich“ oder „ganz bestimmt“ mehr Arbeitsplätze geschaffen würden (Bau Europa: 45 Prozent). Mit 4,4 Prozent musste die Baubranche in Deutschland auch einen besonders großen Anteil des Umsatzes als uneinbringlich abschreiben. Der europäische Schnitt lag bei 2,7 Prozent. Dementsprechend wird die Situation zum Teil als existenzgefährdend bewertet und Arbeitsplätze abgebaut. Auch der Groß- und Einzelhandel könnte nach Meinung der Studienteilnehmer in Deutschland bei einem besseren Zahlungsverhalten mit einer Wahrscheinlichkeit von 74 Prozent (Europa: 33 Prozent) mehr Mitarbeiter einstellen. Die Abschreibungsquote für Forderungen lag in dieser Branche mit 3,3 Prozent ebenfalls über dem europäischen Schnitt. Im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland war vor allem die hohe Quote der Kunden auffallend, die ein längeres Zahlungsziel angesprochen haben: 66 Prozent wollten und bekamen in der Regel die Möglichkeit später zu zahlen. Das wirkte sich offensichtlich auch auf die Zukunftsprognose aus, denn mit einer Erhöhung der Risiken von Zahlungsausfällen rechneten fast 29 Prozent der befragten produzierenden Betriebe.

Die Einschätzung der Risiken

Zunächst die gute Nachricht: 74 Prozent der befragten europäischen Unternehmen sehen eine stabile Entwicklung ihres Debitorenrisikos in den nächsten 12 Monaten. „Das bedeutet allerdings auch, dass beunruhigende Werte sich nicht zum Besseren verändern“, sagt Kriegel. 15 Prozent prognostizieren dagegen sogar steigende, 11 Prozent glauben an fallende Risiken. Schaut man sich auffallende Werte in der länderbezogenen Auswertung an, fällt auf, dass in der Schweiz 40 Prozent der Befragten aus dem Sektor der Freiberufler und sonstigen Dienstleister in den nächsten zwölf Monaten ein erhöhtes Debitorenrisiko erwarten – dies ist möglicherweise ein Warnsignal und kann auf mögliche Verschlechterungen anderer Branchen hindeuten, da gerade viele Service-Dienstleistungen im Wirtschaftsprozess vorgelagert sind.

Längere Zahlungsfristen

Ein beunruhigender Trend in der Umfrage ist, dass viele europäische Unternehmen sich gezwungen sehen, längere Zahlungsfristen zu akzeptieren. Im Durchschnitt wurden 46 Prozent der Unternehmen darum gebeten, dass die fälligen Forderungen erst später gezahlt werden können – oder sie wurden gar nicht gefragt. Beim Verarbeitenden Gewerbe gaben sogar 63 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie um längere Zahlungsfristen gebeten wurden. Auch in Deutschland liegt der Sektor an der Spitze.

Unternehmen müssen handeln

Die beschriebene Situation ist für viele Unternehmen erfolgskritisch bis existenzbedrohend. Notwendige Mitarbeiter werden nicht eingestellt, die Mitarbeiterzahl sogar reduziert, Wachstum wird verhindert, verlorener Umsatz führt zu Liquiditätsproblemen und Existenzangst beeinflusst die unternehmerischen Entscheidungen – meist negativ. Dennoch werden schützende Instrumente wie Vorauszahlungen, Bonitätsprüfungen oder Inkasso zu unsystematisch und vereinzelt eingesetzt. „Da gibt es deutlichen Raum für Verbesserungen“, meint Kriegel. So sollte bei allen Neukunden eine qualifizierte Risikoeinschätzung durchgeführt und das Bestandskundenportfolio mit einem permanenten Monitoring im Sinne eines Frühwarnsystems begleitet werden. „Unternehmen müssen durch ein straffes Mahnwesen die Außenstandstage optimieren bzw. reduzieren“, so Kriegel weiter. Das sei ein wichtiger Baustein für die Entwicklung eines schlagkräftigen Working Capital Management.

Das komplette White Paper mit Informationen zu allen Branchen können Sie hier anfordern: https://www.intrum.com/de/de/ueber-uns/unsere-studien/white-paper/ 

PRAXISTIPPS

  • Erarbeiten und implementieren Sie eine ausgewogene und solide Kreditpolitik, um Risiken und Wachstum im Griff zu haben und entwickeln Sie diese kontinuierlich weiter.
  • Bewerten und verfolgen Sie das in Ihrem Kreditmanagement-Prozess eingesetzte Kapital, um die Kapitalkosten zu senken.
  • Stellen Sie sicher, dass Sie die Kunden, mit denen Sie Geschäfte tätigen, auch kennen.
  • Legen Sie Ihre Geschäftsbedingungen in den Verträgen mit Ihren Kunden genau fest.
  • Beziehen Sie Vertrieb, Marketing und Finanzabteilung ein, um einen effizienten Rechnungsstellungsprozess zu schaffen und Zahlungsausfälle zu vermeiden.
  • Führen Sie ein Monitoring von Wirtschafts- und Branchen-Informationen durch, inklusive der Solvenz Ihrer Schlüsselkunden und prüfen Sie regelmäßig Ihre Kundenadressen.
  • Reduzieren Sie Kundenverluste und stärken Sie die Kundenbeziehungen, indem Sie Ihren Kreditprozess auf Basis von Zahlungsverhalten und Solvenz der Kunden steuern.
  • Führen Sie ein zügiges Mahnverfahren ein und berechnen Sie Verzugszinsen soweit dies möglich ist.
  • Nutzen Sie die Möglichkeiten des Gesetzes zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr.
  • Gewichten Sie Ihre Kundenstruktur nach Risiko- und Wachstums-Potenzial.
  • Handeln Sie sofort, um Zahlungsausfälle zu vermeiden, verzögern Sie den Prozess nicht.

Über das EPR Industry White Paper

Der European Payment Report (EPR) von Intrum Justitia misst das geschäftliche Risiko in europäischen Ländern anhand einer Umfrage unter Unternehmen. Die Umfrage wurde zwischen Februar und April 2016 gleichzeitig in 29 Ländern durchgeführt. An der Befragung nahmen fast 9.500 Unternehmen teil.

In einem White Paper hat Intrum Justitia eine spezielle branchenbezogene Auswertung der Daten aus dem EPR zusammengefasst. Insbesondere wurden branchenspezifische Unterschiede herausgearbeitet und welche Auswirkung die Situation auf Europas Wirtschaft hat. Die Ergebnisse zeigen landes- und branchenspezifisch ein differenziertes Bild. Unternehmen haben mit Zahlungsverzügen und Forderungsausfällen zu kämpfen. Unter dem Strich verursacht selbst das schlechte Zahlungsverhalten eines kleineren Teils der Geschäftspartner, dass weniger Arbeitsplätze geschaffen werden, dass Wachstum der Unternehmen gehemmt wird, weniger in Technologie investiert wird und ein geringeres Maß an Innovation vorherrscht.

Über Intrum Justitia

Intrum Justitia ist eine europäische Unternehmensgruppe für Kreditmanagement-Services und unterstützt mit ihren Dienstleistungen das Working Capital Management der Unternehmen durch Verbesserung des Cashflows und einer nachhaltigen Steigerung der Rentabilität. Gegründet 1923, beschäftigt Intrum Justitia rund 3.850 Mitarbeiter in 19 Ländern. Der konsolidierte Umsatz belief sich 2015 auf EUR 602 Millionen. Intrum Justitia AB wird seit 2002 im NASDAQ Stockholm gelistet. Weitere Informationen finden Sie unter: www.intrum.de.