Gute Führung in der Corona-Krise

Elke Maria Seitz coacht mit ihrem Unternehmen Schrittwerk Führungskräfte in Handwerksunternehmen. Die Covid-19-Pandemie und die damit einhergehenden Maßnahmen haben in dieser Hinsicht zu neuen Herausforderungen geführt. Wir haben mit ihr über die aktuelle Lage gesprochen.

Die Unternehmensberaterin Elke Maria Seitz begleitet Handwerksbetriebe in der Krise. – © Schrittwerk

Si: Durch die Corona-Krise verzeichnen Handwerksunternehmen hohe Einbrüche mit schwerwiegenden Folgen für Liquidität, Beschäftigung und den Betriebsbestand. Wie ist die Stimmung in den Betrieben?

Elke Maria Seitz: Sehr unterschiedlich – es hängt stark von Unternehmensgröße, Kunden-Zielgruppe und selbstverständlich auch von der jeweiligen Branche und dem Dienstleistungs- und Produktangebot ab. Und natürlich von den Menschen: von ihrem Bewusstsein, ihrer Lebensart und ihrem privaten Umfeld, ihrer finanziellen Situation und ihrer persönlichen Haltung und Stärke.

Si: Mit welchen Fragen kommen Handwerksunternehmer derzeit auf Sie zu?

Seitz: Offen gesagt, sind es in erster Linie reine Existenzängste, die aufgrund der Situation durch Medien, Fehlinformationen, mangelnde Beratung und Nichtwissen entstehen. Aufgrund der vergangenen Jahre sind viele Unternehmer erfreulicherweise in einer gesunden wirtschaftlichen Position.

Grundsätzlich sind die Inhaber von Handwerksunternehmen generell mit der Unternehmensführung stark gefordert. Sie wollen sich einfach um das Geschäft kümmern, doch Verwaltung, Organisation, Mitarbeiter und andere Strukturen nehmen sehr viel Raum ein. Und dann auch noch Corona… das führt natürlich leicht zu einer Überlastung.

Derzeit ist überdies ein stärkerer Wettbewerb spürbar, da sich die Auftragslage aufgrund einiger Verschiebungen und Auftragsausfälle neu gestaltet. Beispielsweise gibt es derzeit mehr Bewerbungen um öffentliche Aufträge als zuvor. Fallen Aufträge coronabedingtaus, müssen Unternehmerkurzfristig für Ersatzaufträge sorgen .

Was private Auftraggeber betrifft, ist die Situation unterschiedlich – die einen Unternehmer klagen, dass ihre Kunden aufgrund von Corona-Ängsten sämtliche Modernisierungen und Sanierungen absagen bzw. verschieben, die anderen erfreuen sich einer Auftragsflut, da die Kunden viel Zeit haben und es sich zuhause schön machen wollen.

Als Coach begleite ich Firmen mit meiner Schrittwerk-Methode durch die Krise – eine Aufgabe, die ich gerne annehme. Viele Menschen werden erst in Krisen wach – besonders im Handwerk – und sind offener für Änderungen. Aus Erfahrung weiß ich, dass jede Krise auch Chancen mit sich bringt, nicht nur Probleme: Ich habe 1996 in einer extremen Krisensituation mein damaliges Handwerksunternehmen übernommen und nicht nur diese durchlebt, weshalb für mich der Umgang mit Corona relativ entspannt und dennoch sehr verantwortungsbewusst von statten geht. Was sich in all meinen Jahren der Selbständigkeit bewährt hat, ist Veränderung anzuerkennen, die Unterstützung von Beratern und Partnern zu suchen und sofort in die aktive und permanente Umsetzung und Weiterentwicklung zu starten!

Si: Was bedeutet Ihrer Meinung nach „gute Führung in der Krise“?

Seitz: Der Begriff des Social Distancing, der der Corona-Krise geschuldet ist, suggeriert genau das Gegenteil von dem, was Mitarbeiterführung tatsächlich braucht. Aber: Soziale Nähe ist nicht zwingend abhängig von physischer Anwesenheit. „Anwesenheitsgesellschaften“, wie sie in vielen Betrieben gelebt werden, beruhen häufig auch auf Tradition.

Unabhängig von der Corona-Welle hat es sich schon längst global bestätigt, dass vertraute soziale Beziehungen auch über räumliche Abstände häufig alltäglich und auch notwendig geworden sind. Die Befriedigung der emotionalen Bedürfnisse erfolgt auch auf Distanz. Telefon, soziale Medien und das Internet sind modernen „Beziehungsmedien“, die dies ermöglichen.

Auch fehlende Präsenz kann soziale Nähe bedeuten und zu erfolgreichen Bindungen führen.

Aber: Ein direktes Beisammensein ist in regelmäßigen Abständen gut, um der Beziehung neuen Sauerstoff zuzuführen. Der Erhalt von Unternehmenskultur und Kreativität ist derzeit ebenso bedeutsam wie die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter.

Obwohl Mitarbeiter in den Betrieben bislang meist stets präsent waren, ist eine gute Kommunikation dennoch vielerorts ein Fremdwort. Über Distant Socializing können aber gerade jetzt neue Anlässe geschaffen werden. Das Gelingen einer sozialen Kommunikation sollte nicht nur auf Strategie beruhen, sondern auch Raum bieten für Offenheit, Transparenz und Zufall sowie die Fähigkeit, Verbundenheit und Einfluss zu spüren. Es bedarf einer gewissen emotionalen Intelligenz, um für gesunde Beziehungen im Distant Socializing zu sorgen.

Distant Socializing: Diese Fragen sollten sich Führungskräfte in Zeiten von Home Office stellen
– Wie baue ich optimale Beziehungen zu Mitarbeitern und folglich zu Kunden auf?
– Wie erziele ich eine langfristig positive Unternehmensentwicklung durch das Ausschöpfen ungenutzter Mitarbeiter-Potentiale?
– Welche Rolle spielen dabei Vertrauen, Information, Förderung, Anerkennung und Kommunikation?
– Wie finde ich durch Erkennen von Denk- und Handlungsmustern unterschiedlicher Persönlichkeitsstrukturen die Mitarbeiter, die zum Unternehmen passen?

Si: Hygienemaßnahmen und Abstandsgebote sorgen für neue Verhältnisse auf der Baustelle und im Büro. Neben einem durchdachten Konzept bedarf es der Unterstützung und Disziplin der Mitarbeiter, damit solche Maßnahmen greifen. Welches sind derzeit die größten Herausforderungen in diesem Zusammenhang?

Seitz: Ich denke, es ist allen Menschen klar, dass die ergriffenen Maßnahmen in der Verallgemeinerung nicht für alle Unternehmen gleich realisierbar sind. Insbesondere im Handwerk und auf der Baustelle. Im Büro lassen sich diese Maßnahmen leichter gestalten, durch verzerrte Bürozeiten und teilweise im Home Office stattfindende Arbeit ist es machbar, dass Räume von weniger Mitarbeitern besetzt sind. In Bezug auf die Besetzung von Fahrzeugen habe ich in den letzten Wochen schon alles erlebt: von sehr gewissenhaften Unternehmen bis zu solchen, die ihre Transporter mit bis zu acht Mitarbeitern besetzen. Die Kosten, die durch vorübergehende Aufstockung des Fuhrparks entstehen würden, sind immens. Die Aufteilung von Personal auf großen Baustellen unsinnig, da jeder Mann zählt und die Vertragsstrafen, die aufgrund Verzögerungen drohen, ebenfalls viel zu hoch sind. Dies ist sowieso ein akutes Thema durch den Ausfall von kleineren Nachunternehmern.

Bei Pausen, Besprechungen o.ä. in Baucontainern hat es sich bewährt, diese im Wechsel stattfinden zu lassen. Aber denken wir nur an das berühmte Dixiklo – was soll man hier zu Hygienemaßnahmen sagen? Eines ist jedoch sicher – die Arbeit im Freien stärkt immerhin das Immunsystem im Gegensatz zur täglichen Maskenpflicht, wovon viele in anderen Berufen betroffen sind.

Si: Wie können Handwerksunternehmer mit Mitarbeitern umgehen, die die geltenden Hygieneregeln missachten?

Seitz: Hier zeigt sich das Thema „Führung“ und Engagement von der besten Seite. Mitarbeiter, die sich mit dem Unternehmen verbunden fühlen und Achtung vor ihrem Arbeitgeber haben, werden sich im Sinne des Unternehmers entsprechend verhalten und sich konstruktiv verhalten. Andernfalls kann man nur an Eigenverantwortung und die Erhaltung des Arbeitsplatzes appellieren. Spätestens dann sollte es dem Mitarbeiter bewusst sein, dass es neben der Existenz des Unternehmens auch an die eigene gehen kann, wenn der Arbeitsplatz auf dem Spiel steht. Inwieweit die doch hohen Bußgelder auf die Mitarbeiter übertragen werden können, sofern der Unternehmer seine Mitteilungspflicht erfüllt hat, kann ich nicht sagen. Ungerechtfertigte Drohungen, um Druck auszuüben, zeugen aber nicht von kompetenter Führung.

Si: Die Corona-Krise bietet der Digitalisierung im Handwerk neue Schubkraft. Gerade in Sachen Kommunikation eröffnet dies neue Möglichkeiten und Herausforderungen. Worauf sollten Vorgesetzte – neben technischen Aspekten – achten, wenn sie Skype, Zoom und Co. für Mitarbeitergespräche nutzen?

Seitz: Online-Meetings finde ich sehr spannend. Vor dieser Erfahrung sollte man sich keinesfalls scheuen. Ich selbst war über Wochen aufgrund der Situation in vielen Online-Meetings, wodurch ich neben der inhaltlichen Thematik viele neue Aspekte und Eindrücke gewonnen habe und zudem wertvolle Kontakte knüpfen konnte. Ob Recruiting, Mitarbeiter-Gespräche und sonstige Besprechungen, virtuelle Zusammentreffen sparen Zeit und da sie auch spontan stattfinden können, werden Dinge häufig schneller und effizienter umgesetzt. Für mich als Coach sind Online-Meetings natürlich auch interessant im Hinblick auf die Persönlichkeitsstrukturen, die sich im Verhalten und in der Kommunikation widerspiegeln. Bezüglich des Austauschs von Dokumenten, insbesondere in personeller oder vertraglicher Hinsicht, oder im Bereich Kalkulation sowie der Aufzeichnung von Gesprächen sollte man auf einen entsprechenden Datenschutz und auf die Empfehlungen zu dem jeweiligen Medium achten.

www.schritt-werk.de