Immer Ärger mit Verbrauchern – Verbraucherbauvertrag bei gewerkeweiser Vergabe?

Rechtsanwalt Maximilian Gawlik ist vorwiegend im Bereich des privaten Baurechts tätig. – © HF+P legal

Für den HLSK-Unternehmer ist die Frage, ob ein Verbraucherbauvertrag vorliegt, in der Praxis nicht immer so relevant: Beauftragt wird mitunter kein Neubau und nur selten ist der Auftrag so umfangreich, dass er einem Neubau gleichkommt.

Was ist aber, wenn ein kompletter Neubau gewerkeweise vergeben wird und jedes Gewerk von einem anderen Bauunternehmer ausgeführt wird? Liegt dann ein Verbraucherbauvertrag vor?

Darüber streitet sich die juristische Literatur und Gerichte – einen praktischen Fall hat jetzt OLG Zweibrücken mit Urteil vom 29.03.2022, Az. 5 U 52/21 entschieden:

Die Auftraggeber ließen als private Bauherren auf ihrem Grundstück einen Neubau errichten. Die verschiedenen erforderlichen Gewerke haben sie an einzelne Bauunternehmer vergeben. So wurde unter anderem die klagende Bauunternehmerin mit Maler- und Stuckateurarbeiten beauftragt.

Nach Errichtung des Rohbaus in der Zeit von Januar 2018 bis August 2018 folgten die übrigen Arbeiten in der Zeit von August 2018 bis Januar 2019. Die Bauunternehmerin erbrachte hierbei in dem Zeitraum von November 2018 bis Januar 2019 die Maler- und Stuckateurarbeiten im Außenbereich.

Sie stellte sodann über die Arbeiten eine Abschlagsrechnung über 29.574,80 Euro brutto – hierauf bezahlten die Auftraggeber nur 20.337,61 Euro und rügten Mängel. Die Bauunternehmerin reagierte hierauf mit anwaltlichem Schreiben und forderte eine Sicherheit nach § 650f Abs. 1 S. 1 BGB. Als diese nicht gestellt wurde, klagte die Bauunternehmerin vor dem Landgericht Landau. Das Urteil dieses Gerichts musste sodann das OLG Zweibrücken in der Berufung prüfen.

Das OLG Zweibrücken schließt sich dem OLG Hamm (Urteil vom 27.04.2021, Az. 24 U 198/20) an: Zwar scheine der Wortlaut des § 650i BGB („eines neuen Gebäudes“) nicht mit der Vergabe von Einzelgewerken in Einklang zu bringen. Das Gericht argumentiert aber mit einer erweiterten Auslegung: Ziel des Gesetzes war eine Verbesserung des Verbraucherschutzes. Fiele unter das Verbraucherbauvertragsrecht nur der „Bau aus einer Hand“, kämen sämtliche Schutzvorschriften zugunsten des Verbrauchers nicht zur Anwendung. Der Bauherr, der sein Haus durch eine gewerkeweise Vergabe errichten lasse, sei ebenso schutzwürdig wie ein Bauherr, der sich für einen Bau aus einer Hand entscheide, da es bei einer Einzelvergabe – mit Ausnahme des Insolvenzrisikos – dieselben sachlichen Probleme wie bei einer Gesamtvergabe geben könne. Schließlich droht auch eine mögliche Umgehung: Unternehmer könnten versuchen, den Verbraucherschutz auszuhebeln, in dem einzelne Gewerke ausgelagert werden.

Das Oberlandesgericht stärkt damit den Schutz der Verbraucher; auch bei Einzelvergabe von Gewerken, z. B. im Bereich HLSK, liegt ein Verbraucherbauvertrag vor, wenn insgesamt ein Neubau vorliegt oder eine Baumaßnahme, die einem Neubau gleichkommt. Die Rechtsfolgen sind immens:

Der Vertrag bedarf mindestens der Textform, zudem treffen den HLSK-Unternehmer diverse Informationspflichten nach Art. 249 EGBGB.

Dem Verbraucher steht ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu, sofern der Vertrag nicht notariell beurkundet wurde, über dieses Widerrufsrecht muss der Unternehmer seinen Auftraggeber ordnungsgemäß belehren. Tut er das nicht, beträgt die Widerrufsfrist 1 Jahr und 14 Tage!

Vorsicht geboten ist bei Abschlagszahlungen: Mehr als 90 Prozent der Gesamtvergütung darf der HLSK-Unternehmer nicht verlangen. Zudem muss der Unternehmer eine Sicherheit für die rechtzeitige Herstellung des Werks ohne Mängel leisten, § 650m Abs. 2 BGB.

Auch eine Sicherheitsleistung nach § 650f BGB kann der HLSK-Unternehmer bei einem Verbraucherbauvertrag nicht verlangen.

Fazit

Bei Geschäften mit Verbrauchern ist besondere Vorsicht geboten; der Verbraucherschutz nimmt stetig zu; die gesetzliche Normierung ist teilweise unübersichtlich.

Vor allem bei Neubauten sollte der HLSK-Unternehmer Vorsicht walten lassen – auch wenn er nur ein Gewerk übernimmt. Die Rechtsfolgen beim Vorliegen eines Verbraucherbauvertrages umfangreich. Beim leisesten Verdacht, dass es sich insgesamt um einen Neubau oder ein einem Neubau gleichwertigen Vorhaben handelt, muss der HLSK-Unternehmer damit rechnen, dass ein Verbraucherbauvertrag vorliegt.

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