Keine Abweichung von Herstellerangaben – Leistung mangelfrei?

Jutta Weigert, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht. – © HF+P legal

Immer wieder wird darüber diskutiert, ob trotz Einhaltung der Herstellervorgaben bei der Ausführung ein Werkmangel vorliegen kann. In dem Rechtsstreit, den das OLG Köln durch Urteil vom 07.01.2021, 7 U 187/19 (IBR 2022, 14) entschieden hat, ging es mitunter um diese Thematik.

In dem Rechtsstreit klagte der Auftraggeber (AG) eines großen Hotelbaus gegen den Generalunternehmer (GU) auf Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung (Höhe: 2,25 Mio. Euro). Es ging um die Mangelhaftigkeit des Gewerks Lüftung/Klima; ausgeführt durch einen Nachunternehmer des GU in 2010. Als Mangel wurde geltend gemacht, dass die für den Betrieb der Kälteanlage eingebrachten Rohre (Prestabo-Rohrleitungen) keinen äußeren Korrosionsschutzanstrich aufweisen. In der ersten Instanz (Landgericht Köln) bestätigte der gerichtlich beauftragte Sachverständige den Mangel. Die Installation nicht korrosionsgeschützter Rohre verstößt nach seinen Feststellungen gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik. Der GU wurde entsprechend verurteilt. Er legte Berufung zum OLG Köln ein und wendet sich damit gegen das Ergebnis des Sachverständigen. Er meint unter anderem, es sei nicht belegt, dass überhaupt ein Korrosionsschutzanstrich für die eingebauten Rohre erforderlich gewesen sei. Er legt ein Tabellenwerk der Herstellerfirma der Rohre vor, in dem ein Korrosionsschutzanstrich nicht gefordert wird beziehungsweise keine Hinweise auf die Notwendigkeit eines solchen Anstrichs enthalten sind.

Ohne Erfolg! Das OLG bejahte ebenfalls das Vorliegen eines Mangels. Das Tabellenwerk des Herstellers könne nicht losgelöst von den konkreten baulichen Gegebenheiten (Randbedingungen) betrachtet werden. Die sogenannte Medienliste in dieser Tabelle betreffend die Verwendbarkeit der Prestabo-Rohrleitungen seien laut der Herstellerfirma nur „eingeschränkt verbindlich“, während die „Randbedingungen uneingeschränkt verbindlich“ seien. Darüber hinaus seien in die Betrachtung, ob ein Mangel vorliegt, die allgemeinen Herstellervorgaben, die einschlägige DIN sowie bestehende anerkannte Regeln der Technik einzubeziehen. Nach der einschlägigen DIN 50929 sei bei Verwendung der Rohre in Kühlkreisläufen auf jeden Fall ein weiterer, über die ab Werk aufgebrachte Verzinkung hinausgehender Korrosionsschutz erforderlich. Dies ergebe sich auch aus einer anderweitigen Herstellervorgabe.

Die Entscheidung liegt auf der Linie der obergerichtlichen Rechtsprechung. Für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit von Werkleistungen sind – bei Fehlen konkreter vertraglicher Beschaffenheitsvereinbarungen – die sogenannten allgemein anerkannten Regeln der Technik maßgeblich. Deren Einhaltung kann der Auftraggeber mindestens erwarten (geschuldeter Mindeststandard). Vorgaben, Richtlinien, Anleitungen, Empfehlungen etc. von Herstellern bilden diese nicht ab. Sie sind „nur“ auf das jeweilige Produkt abgestimmt. Der Standard „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ wird vielmehr durch verschiedene einschlägige Regelwerke konkretisiert, wie etwa einschlägige DIN-Normen, ETB, VDI-Richtlinien, VDE-Vorschriften etc.. Herstellervorschriften können eventuell dazu zählen.

Es kann gefolgert werden: Ein Mangel liegt vor, wenn das Werk trotz Einhaltung der Herstellervorgaben nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Ein Mangel kann auch vorliegen, wenn Anforderungen in den Herstellervorgaben über die jeweiligen allgemein anerkannten Regeln der Technik hinausgehen, um ein bestimmtes Risiko, z.B. für den Betrieb der technischen Anlage, abzuwenden, und diese nicht eingehalten wurden (vgl. BGH, Urteil vom 21.04.2011, VII ZR 130/10). Umgekehrt: Ein Verstoß gegen Herstellervorgaben stellt nicht zwangsläufig einen Mangel dar – wenn nämlich die allgemein anerkannten Regeln der Technik keine höheren Anforderungen an das Werk stellen.

Fazit und Tipp

Die Einhaltung von Herstellervorgaben schützt SHK-Unternehmer nicht per se vor der Mangelhaftigkeit ihres Werks. Auf Herstellervorgaben sollte daher nicht „blind“ vertraut werden. Erforderlich ist ein Abgleich mit den jeweiligen allgemein anerkannten Regeln der Technik.

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