Interview mit Prof. Timo Leukefeld

Energieautarkes Bauen ist das Spezialgebiet von Prof. Timo Leukefeld. Der Handwerker, Ingenieur und Forscher sieht die Nutzung von Solarenergie als zentralen Bestandteil einer zukunftsweisenden Energieversorgung.

Prof. Timo Leukefeld will Wege in die Energieautarkie aufzeigen. Dabei sieht er sich als Vermittler zwischen Forschung und Entwicklung sowie dem ausführenden Handwerk. – © Stefan Mays

Si: Um energieautark zu bauen, brauchte man bislang ein großes Portemonnaie. In Ihrem Blog blog.timoleukefeld.de schreiben Sie, dass Sie „das erste bezahlbare energieautarke Haus“ in Deutschland gebaut haben. Welches Haustechnikkonzept kam dabei zum Einsatz und wie haben Sie es geschafft, die Baukosten überschaubar zu halten?

Timo Leukefeld: Das Haustechnikkonzept unserer energieautarken Häuser im sächsischen Freiberg setzt in erster Linie auf die Sonne. Eine große Solarthermieanlage auf dem Dach gewinnt dabei vor allem im Spätsommer viel Energie, die im Langzeitspeicher – einen Wärmespeicher mit einem Fassungsvermögen von 9.000 Litern – bis in das Winterhalbjahr hinein noch zum Heizen genutzt werden kann. Reicht die solare Wärme einmal nicht aus, stellt eine Biomasseheizung die nötige Leistung zur Verfügung. Um auch den Strombedarf selbst decken zu können, haben wir neben der Solarwärme- auch eine Solarstromanlage mit Stromspeicher installiert.

Bezahlbar wird das energieautarke Haus, indem wir darauf geachtet haben, Gebäudehülle und Anlagentechnik optimal aufeinander abzustimmen. So sorgt zum Beispiel ein niedriger Energiebedarf dafür, dass die benötigte Technik kleiner und günstiger wird. Bei der Auswahl der Komponenten haben wir darüber hinaus auf Technologien gesetzt, die es teilweise schon 30 Jahre am Markt gibt. Diese sind erprobt, zuverlässig und in der Regel auch günstig.

Si: Werden in Zukunft alle Häuser so gebaut?

Leukefeld: Geht es um das Bauen in der Zukunft, werden sich wohl die Konzepte mit der größten Lobby durchsetzen. Aktuell sind das die Dämmung mit Styropor und das Heizen mit Luftwärmepumpen. Aber selbst wenn Wärmepumpen mit Photovoltaikanlagen kombiniert werden, haben sie eine solche Lastverschiebung, dass Strom für Haushalt und Heizung im Winter nicht kontinuierlich bereitgestellt werden kann – Langzeitspeicher für Strom sind schlichtweg zu teuer. Im Gegensatz zu Wärmespeichern, bei denen eine Kilowattstunde Kapazität etwa 20 Euro kostet, zahlen Bauherren und Hausbesitzer für eine Kilowattstunde im Stromspeicher etwa 1.000 Euro an Investitionen.

Werden die Folgekosten der Technologien bekannter, können sich durchaus auch Konzepte durchsetzen, die auf Solarwärme setzen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass das Interesse zur energetischen Unabhängigkeit immer weiter steigt. Nicht zuletzt auch in Hinblick auf die Altersvorsorge, die unsere Konzepte bieten. Denn vor allem im Rentenalter können niedrige Energiekosten eine hohe Lebensqualität sichern.

Si: Als Professor für Solarthermie sprechen Sie in Ihren Vorlesungen fortwährend über das Thema Energieversorgung. Welches sind Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte?

Leukefeld: Als Professor für Solarthermie halte ich gemeinsam mit zwei Kollegen deutschlandweit die einzigen Vorlesungen zum Thema energieautarke Gebäude. Dabei geht es nicht darum komplizierte technische Konzepte zu entwickeln, sondern vor allem darum, Hülle und Anlagentechnik optimal aufeinander abzustimmen. Denn das ist die Grundlage für bezahlbare Baukonzepte und ein Schwerpunkt meiner Forschung.

Ein zweiter Schwerpunkt ist die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Zusammen mit Banken, Energieversorgern oder Wohnbaugesellschaften arbeiten wir dabei an Konzepten, die durch das energieautarke Bauen überhaupt erst möglich werden. Ein Beispiel ist das sogenannte „Pauschal-Miet-Modell“. Dabei bekommen Mieter für eine auf zehn Jahre festgeschrieben Flatrate-Miete Wohnung, Strom, Wärme und Mobilität für ein Elektro-Auto. Unternehmen, die dieses Modell anbieten, haben weit mehr als 50 Bewerbungen auf eine Wohnung. Außerdem sind die Mieter glücklich eine der begehrten Wohnungen zu bekommen und ziehen so schnell nicht wieder aus – hohe Werte für die Wohnungswirtschaft.  

Si: Gerade Bestandsgebäuden mangelt es an Energieeffizienz. Wie lassen sich energieautarke Wohnkonzepte auf den Altbau übertragen?

Leukefeld: Mit energieautarken Bau- oder Sanierungskonzepten sind immer auch bestimmte Voraussetzungen verknüpft. So muss zum Beispiel eine ausreichend große und nicht verschattete Dach- oder Fassadenfläche mit der richtigen Ausrichtung vorhanden sein. Vor allem in Städten ist das nicht immer gegeben.

Unsere Analysen zeigen, dass sich etwa 20 bis 25 Prozent der bestehenden Gebäude für energieautarke Sanierungskonzepte eignen. Wie im Neubau geht es dabei auch hier darum, den Energiebedarf durch eine effiziente Hülle und energiesparende Geräte zu reduzieren, um die Sonnenwärme-Anlage passgenau planen zu können. Nach dem Motto „Vernetzte energieautarke Gebäude“, kann überschüssige Energie einzelner Gebäude dann genutzt werden, um Nachbargebäude mit Strom und Wärme zu versorgen. Aktuell sind wir bei einigen Sanierungsprojekten beratend tätig.

Si: Welche regenerative Energieform ist Ihrer Meinung nach die zukunftsträchtigste?

Leukefeld: Durchsetzen wird sich wie bereits beschrieben die Technologie mit der größten Lobby. Für besonders zukunftsträchtig halte ich aber zwei andere. Nämlich die Kombination von Solarwärme und Langzeitwärmespeichern zur unabhängigen Wärmeversorgung und die Versorgung mit grünem Gas, das zum Beispiel über Power-to-Gas-Anlagen aus überschüssigem Solar- und Windstrom hergestellt wird. Auch wenn die Technologien heute noch recht teuer sind, ist das Gasnetz der einzige Langzeitspeicher für Strom aus erneuerbaren Energien, den es in Deutschland gibt.

Si: Haben Öl- und Gas in der künftigen Energieversorgung noch eine Chance?

Leukefeld: Öl ist moralisch verschlissen und wird in der Energiewelt der Zukunft keinen Platz mehr einnehmen. Kaum ein anderer Energieträger steht heute so deutlich für die alte und schmutzige Energieversorgung unserer Vergangenheit.

Den Ausstieg aus der Gasversorgung anzukündigen, halte ich dagegen für einen der größten Fehler der Energiewende. Denn das führt dazu, dass Instandhaltungsarbeiten im Gasnetz zurückgefahren werden, Gasversorgungsleitungen stillgelegt und zurückgebaut werden und die zukünftigen Kosten steigen. Ohne ein grünes Gasnetz ist die Energieversorgung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen meiner Meinung nach nicht möglich.

Si: Herr Leukefeld, wie kann sich das Handwerk als Dienstleister und Berater für die künftigen Anforderungen wappnen?

Leukefeld: Ich bin selbst gelernter Instandhaltungsmechaniker und setze mich besonders aktiv dafür ein, die Interessen des Handwerkers – ohne die die Energiewende nicht möglich wäre – in die Politik zu tragen. Dabei erfahre ich viel über Nöte und Herausforderungen. Eine der größten ist dabei der Nachwuchs. Um für künftige Anforderungen gewappnet zu sein, bedarf es mehr junger Menschen, die mit modernen Technologien aufgewachsen sind und in Schule und Ausbildung optimal auf digitale Lösungen vorbereitet wurden. Schlüssel dafür könnten zum Beispiel höhere Löhne für engagierte Nachwuchskräfte sein.

www.timoleukefeld.de

https://www.youtube.com/watch?v=LCCbFm_Gf-4