Gerade bei größeren Bauvorhaben steht der HLSK-Unternehmer nicht nur einem Auftraggeber gegenüber, sondern auch noch einem bauleitenden Architekten und vielleicht sogar einem Fachplaner. Nicht selten kommt es vor, dass vieles direkt mit dem Bauleiter selbst abgestimmt wird, Änderungen vorgenommen, Nachträge beauftragt werden. Mehrkosten soll der Auftraggeber bezahlen.
Der aber wehrt sich und behauptet: Der Bauleiter sei nicht befugt gewesen!
Mit einem solchen Fall hat sich das OLG Frankfurt in zweiter Instanz in seinem Urteil vom 18.09.2020, Az. 29 U 99/17 auseinandergesetzt:
Der Unternehmer fordert vor dem Landgericht Gießen Werklohn in Höhe von EUR 45.068,42 netto. Bei einem Bauvorhaben mit mehreren Häusern wurde er von der Klägerin über den Herrn B beauftragt, am Gewölbekeller Abrissarbeiten zu erbringen. Bezüglich des Abbruchs eines hinteren Gebäudes wurde eine andere Firma beauftragt. Diese Firma nahm die Abbrucharbeiten jedoch nicht vor und so kam es, dass Herr B den klagenden Bauunternehmer damit beauftragte, die Abrissarbeiten auch am hinteren Gebäude vorzunehmen.
Die beklagte Auftraggeberin weigert sich zu bezahlen: Herr B sei nicht zur Vertretung befugt gewesen. Er habe den Geschäftsführer der Beklagten lediglich auf der Baustelle begleitet und sei lediglich der Fahrer gewesen.
Zunächst hatte das Landgericht Gießen mit Urteil vom 09.06.2017, Az. 3 O 167/16 die Klage abgewiesen. Der klagende Bauunternehmer habe nicht bewiesen, dass die Beklagte bei Vertragsschluss wirksam durch den Bauleiter vertreten worden sei. Insbesondere hätte sie nicht darauf vertrauen dürfen, dass Herr B für Auftragsvergaben entscheidungsbefugt war.
Anscheinsvollmacht des Bauleiters
Das OLG Frankfurt wurde auf die Berufung des Klägers tätig und befragte selbst weitere Zeugen. Das Gericht stellte fest: Herr B war der Bauleiter auf der Baustelle. Dies hatte die Beklagte in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben. Zudem fungierte er während der Dauer der gesamten Baustelle für die Bauausführenden als Ansprechpartner und war bei sämtlichen Baustellenbesprechungen anwesend. Der Geschäftsführer der Beklagten selbst habe sich von der Baustelle mehr und mehr zurückgezogen, während Herr B eigenmächtig Aufträge erteilt hatte.
Herr B selbst gab an, dass er mit dem Geschäftsführer der Beklagten seine Rolle besprochen habe: Er sollte „die rechte Hand“ auf der Baustelle sein und dafür auch entlohnt werden. Zudem war Herr B allein. Damit ist aber noch nichts zur Vollmacht gesagt. Denn ein Bauleiter hat nicht per se eine Vollmacht dazu, im Namen des Auftraggebers Verträge abzuschließen oder Nachträge zu beauftragen.
Dem Unternehmer kommt hier aber die sogenannte Anscheinsvollmacht zugute: Herr B hatte ja bereits zuvor die Klägerin bezüglich eines Teilabbruchs beauftragt. Darüber hinaus jedenfalls – selbst wenn eine Rechtsscheinvollmacht fehlen würde, so das Gericht – hat die Beklagte den Vertragsschluss genehmigt. Sie war nämlich in Form ihres Geschäftsführers vor Ort auf der Baustelle und traf dort auf Mitarbeiter der Klägerin, während diese mit den Abbrucharbeiten beschäftigt waren. Darüber zeigte er sich erfreut, denn die Baustelle war zuvor in Verzug geraten. Damit liegt jedenfalls eine Genehmigung der Beauftragung vor.
Fazit
Auf der Baustelle läuft oft vieles auf Zuruf: Der Bauleiter gibt vor, der Bauunternehmer führt aus. Will der Unternehmer für Mehrleistungen oder Änderungen einen zusätzlichen Werklohn, darf er nicht auf die Vollmacht des Bauleiters vertrauen, auch wenn dieser ihm zusagt, alles sei mit dem Auftraggeber besprochen. Im Zweifelsfall muss der HLSK-Unternehmer die bestehende Vollmacht oder zumindest den Anschein einer Vollmacht voll beweisen. Das kann mitunter schwierig werden. Besser sind hier eindeutige vertragliche Regelungen dazu, wer den Auftraggeber vertreten darf und zusätzlich bei nachträglichen Vertragsänderungen ein schriftlicher Vertrag über Umfang und Entlohnung der geänderten Leistung.
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