„Das Handwerk attraktiver machen“

Was bedeutet gute Führung? Das fragten wir Elke Maria Seitz, die Handwerksunternehmer in dieser Hinsicht berät. Mit Ihrem Unternehmen Schrittwerk will sie dazu beitragen, in Führungsangelegenheiten moderne Wege zu gehen. Fachkräfte stellen ihrer Meinung nach dabei das höchste Gut für den Unternehmenserfolg dar.

Elke Maria Seitz. – © Schrittwerk

Si: Frau Seitz, als Mentorin, Coach und Sparringpartnerin beraten Sie Handwerksunternehmer in Führungsangelegenheiten. Wie groß ist der Bedarf im SHK-Handwerk und welches sind Ihre aktuellen Arbeitsschwerpunkte? 

Elke Maria Seitz: In meinen Augen ist der Bedarf größer als je zuvor. Mittlerweile sind seit der Gründung von Schrittwerk (www.schrittwerk.de) fast acht Jahre vergangen. Die Entwicklung im Bereich Führung ist enorm vorangeschritten. In Bezug auf die Umsetzung nehme ich jedoch eher eine Stagnation wahr. Dies ist sicherlich auch der gesunden wirtschaftlichen Lage im Handwerk im Moment geschuldet. Diese Situation lässt sich ­jedoch nicht nur im Handwerk, sondern auch in Institutionen und vielen anderen Systemen beobachten. Doch Führung bedeutet, insbesondere in den Hochphasen, pro-aktiv zu handeln und nicht re-aktiv zu „reparieren“. Dies ist leider nach wie vor häufig ein großes Problem in der Führung von Unternehmen. Wenn`s gut geht, hat man keine Zeit, wenn`s schlecht geht, wird gejammert.

Meine Schwerpunkte liegen in der Individualbegleitung von Unternehmern, Führungskräften und Teams in Form von Beratungstagen, Trainings und ­Coachings. Aber auch von Einzelpersonen, die sich beruflich und dazu gehört auch persönlich weiterentwickeln möchten. Aufgrund meiner Erfahrung als ­Unternehmerin unterstütze ich auch langfristig in der Umsetzung von strategischen, personellen und strukturellen Maßnahmen. Hier kommt Freude in mein Unternehmerherz, denn letztendlich geht es darum, auch Ziele und Ergebnisse zu erreichen. Daran teilzu­haben ist etwas anderes als nur zu „beraten“, weshalb ich mich von Beginn an auf das Mentoring fokussiert habe.

Si: Die Auftragslage im Handwerk ist gut, Fachkräfte werden händeringend gesucht. Wie können sich Unternehmen so positionieren, dass sie für Auszubildende und ­Arbeitnehmer möglichst attraktiv sind?

Seitz: Sie haben es richtig angesprochen, es geht um Positionierung. In­teressant ist, dass es nach wie vor ­Un­ternehmen gibt, die keine Schwierigkeiten in Bezug auf den Nachwuchs und ­Mitarbeiter haben. Und das war schon immer so. Positioniere ich mein Unternehmen so, dass es für Mitarbeiter attraktiv ist, ziehe ich Mitarbeiter an, die gerne zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Heute sind dies in Summe weniger und die ­Firmen „ringen“ um diese Bewerber, doch es gibt schlummernde Potenziale und Möglichkeiten.

Als ich selbst noch mein Handwerks­unternehmen geführt habe, war schon absehbar, dass das Interesse am Handwerk nachlässt, da die Industrie damals sehr stark angezogen hat und mit attraktiven Arbeitsbedingungen und Löhnen geworben hat. Die Erkenntnis des Fachkräftemangels war also bereits vor 15 Jahren da. Aber bis heute mangelt es
an effizienten Maßnahmen, um dieses Problem zu beheben. Insbesondere in der Generation zwischen 35 und 55 ist eine enorme Lücke von Fachkräften entstanden. Und rückwirkend zu reagieren ist immer schlecht. Wissen Sie was ich meine? Wir haben heute die Lücke von einer Thematik, die schon vor 20 Jahren entstanden ist und geben heute noch nicht Vollgas, um eine Lösung dafür zu generieren.

Ein Unternehmer muss es schaffen, die Generationen in seinem Betrieb zu verbinden, auch wenn im Handwerk eine davon so gut wie komplett ausgefallen ist. Ein erfahrener, externer Partner kann dabei helfen, diese Problematik anzu­gehen und neue Lösungsansätze auf­zuzeigen.

Si: Welches sind in Ihren Augen zentrale Bestandteile eines modernen Handwerksunternehmens?

Seitz: Das sind meine Kernthemen: ­Führung und „BewusstSein“. Das Leben ist ein Prozess, wir erleben Überraschungen, positiver wie negativer Art und sind Einflüssen ausgesetzt, die wir im Alltag nicht direkt im Detail lösen können.

Hier beginnt und endet Führung. Die wenigsten Handwerksunternehmer ­haben diese „gelernt“, in anderen Branchen ist es häufig ähnlich. Führungs­kräfte und Unternehmer entstehen ­häufig aufgrund ihrer Fachkompetenz sowie ­ihrer spezifischen Ausrichtung. Schnell nehmen Struktur, Organisation, Marketing, Positionierung und Innova­tion, betriebswirtschaftliche sowie personelle Führung 80?% der Alltagsauf­gaben ein. Wenn man bedenkt, dass die Ausbil­dungen und Voraussetzungen von Chefs und Führungskräften in der Regel zu 100 % rein fach­lichen Kernkompetenzen entsprechen, kann man sich die ­Ursache der kommunikativen Herausforderungen und sozialkompetenten ­Defizite ausmalen. Dabei geht es nicht um Bewertung von Persönlichkeiten und Qualifikationen, es ist eine rein rationale Feststellung. Deshalb war es mir sehr wichtig, einen ganzheitlichen Ansatz in der Begleitung von Unternehmen zu pflegen, woraus meine eigene Methode entstanden ist, die neben Wissen auch meine Erfah­rungen als Unternehmerin enthält. Sie beruht auf den
drei Prozessen Analyse, Innovation und Mentoring. Im Mittelpunkt steht der Unternehmer; ausgehend von seiner der­zeitigen Position ­betrachten wir die ­Organisation und ­Personalführung seines Betriebes und arbeiten davon ausgehend zu Innova­tionen hin. ­Anschließend beginnt dieser Prozess ­erneut. Das „immer wieder neu“ ist ein sehr gesunder Ansatz, mit ­einem Mentor am Unter­nehmen zu ­arbeiten.

Und ganz wichtig: Ich arbeite mit den Menschen am Unternehmen und nicht an den Menschen für das Unternehmen!

Si: Die Generation Y tickt anders: Worauf legen junge SHK-Fachhandwerker heute Wert bei der Wahl ihres Jobs?

Seitz: Zuerst sollte man sich mit den ­allgemeinen Wertvorstellungen der ­unterschiedlichen Generationen beschäftigen (siehe Kasten unten). Aber auch wenn man diesen Hintergrund kennt, geht es immer um den Menschen als Individuum. Mein Eindruck: Es gibt nach wie vor Fachkräfte, die es bevorzugen auf der Baustelle zu arbeiten, selbst nach einer Weiterbildung zum Techniker oder Meister. Oder sie favorisieren einen Mix. Hier ist ein Gespür des Unternehmers im Vorfeld gefragt, wohin die Bedürfnisse des Mitarbeiters gehen, um ihn an das Unternehmen zu binden. Dementsprechend individuelle Arbeitsbedingungen zu schaffen, wie beispielweise Flexibilität in Bezug auf das ­Arbeitszeitmodell sowie angemessene Entlohnung bzw. Benefits/„Fairlohnungsprogramme“ oder Mit­arbeiter bei der Weiterbildung zu unterstützen. Auch die persönlichen und ­privaten Belange stehen heute mehr im Vordergrund als früher und sollten mit dem Arbeitsverhältnis vereinbar sein.

Generation X, Y und Z
Zur Generation X zählen die Jahrgänge 1960-1980, mit guter Ausbildung, dem Wunsch nach materiellen Sicherheiten mit der Arbeit als Mittel zum Zweck. Sie ist stets ehrgeizig mit einem starken Hang nach Indi­vidualismus.Generation Y, die Millenials, geboren zwischen 1980 und 2000, strömen derzeit den Arbeitsmarkt mit ihren Ansprüchen an eine sinnvolle und ­abwechslungsreiche Tätigkeit. Den Wunsch nach Selbstverwirklichung und Teamspirit kommunizieren Sie durch offensive Vernetzung innerhalb einer virtuellen Welt.Die Jahrgänge ab 2001 nennt sich ­Z-Generation. Sie appelliert an die Generationen „X“ und „Y“, sich mit den geburtenstarken Baby Boomern (geb. 1943–1960) zu unterschiedlichen Wertevorstellungen und Lebenseinstellungen auseinanderzu­setzen. Die Baby Boomer haben die Prägung „Workaholic“ ins Leben gerufen und wollen sich nun mit Entschleunigung Perspektiven für den Ruhestand schaffen.

Si: Wie lassen sich potenzielle Auszu­bildende für einen Handwerksberuf ­begeistern?

Seitz: Aktive Information und Aufklärung über die Berufsbilder, Flyer und auch Social Media alleine genügen nicht. Angehende Auszubildende sollte man dort suchen, wo sie abgeholt ­werden können. Das fängt in der Mittelschule an; ab der 8. Klasse ist auch der Lehrplan danach ausgerichtet.

Ich bin immer wieder erstaunt, wie ­wenig „Vorstellung“ doch bei den Schülern, aber auch Lehrern und Eltern im Detail zu diversen Berufen vorhanden ist. Der direkte Kontakt hilft, bei Schülern Interesse für den Handwerksberuf zu wecken und mit manchem Vorurteil aufzuräumen.

Si: Welches Führungsmodell sorgt aus ­Ihrer Erfahrung für die größte Mitarbeiterzufriedenheit?

Seitz: Für mich ist Sensitivität eine herausragende Eigenschaft in der Führung von Unternehmen, aber man bekommt sie nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Spricht man von Sensitivität, kommen schnell Gedanken und Begriffe wie ­„Sensibilität“, „Unsicherheit“, „Angst“ in den Sinn. Es besteht jedoch ein Unterschied: Sensibilität zielt mehr auf das „Fühlen“ ab, während Sensitivität zudem das „Einfühlen in andere“ meint. Deshalb kann ich nur raten, sofern es ­einen Mitarbeiter im Unternehmen mit dieser Befähigung gibt, ihn Teil des ­Führungsteams werden zu lassen. Ansonsten zählen zu einer optimalen Führung für mich unbedingt die Förderung und Stärkung des Individuums. Gute Führungspersönlichkeiten unterstützen Mitarbeiter darin, selbstbildend und -verwirklichend zu handeln. Sie ­gestatten ihnen Eigenverantwortung für ein Lernen in realen Herausforderungssituationen. Denn: Kreativität entsteht durch Anwendung und Bewährung in der eigenen Welt. Ich rate dazu, die unterschiedlich gegebenen Persönlichkeitsstrukturen in ­einem Unternehmen mit machbarer Kompetenzentwicklung zu verbinden und so eine möglichst langfristig posi­tive Entwicklung zu gewährleisten. Vorhandene Schwachstellen auszuräumen, insbesondere in personeller Hinsicht, bedeutet nicht nur mehr Engagement bei den Mitarbeitern, sondern eine nachhaltigere Produktivität zur Steigerung des Unternehmenswertes.

Si: In vielen Bereichen erlebt das Handwerk eine Renaissance. Die Arbeit am Bau und der Erwerb handwerklicher Fähigkeiten wirken auf manchen attraktiver als ein schnöder Bürojob mit PC-Arbeit. Wie kann das SHK-Handwerk von diesem Trend profitieren?

Seitz: Ja, da geht mir tatsächlich das Herz auf. Selbst in einem Handwerks­unternehmen groß geworden, hat es mich dann nach meinem Berufsstart in der freien Wirtschaft wieder dorthin zurückgezogen. Das Arbeiten im Konzern war für mich damals wegen der vorgegebenen Strukturen und der Personal­führung unattraktiv.

Die Sprache im Handwerk ist eine besondere. Man kann davon ausgehen, dass die Arbeit in der Regel von Offenheit und dem Blick etwas „gemeinsam zu schaffen“ geprägt ist. Das gibt es in dieser Form einfach nur im Handwerk. Derzeit habe ich das Gefühl, dass auch die jungen Menschen heute nach all der Oberflächlichkeit genau diese Werte von Zusammenhalt und Tradition, dem Mix aus Alt und Jung, Bodenständigkeit und Moderne wieder ansprechend finden.

Wenn Eltern ihren Kindern in ihrer Berufswahl unterstützen und ihnen vermitteln, dass sie es als ebenso wertvoll betrachten, ob sie Handwerker oder Akademiker werden, ist der Weg ins Handwerk ein leichtes. Zudem werden Meister und Bachelor auch auf dem ­Papier als gleichwertig angesehen – es gibt inzwischen auch den „Bachelor ­professionell“.

Si: In vielen Handwerksunternehmen ­findet derzeit ein Generationenwechsel statt. Welche Voraussetzungen müssen ­erfüllt sein, damit dieser gelingt?

Seitz: Ich empfehle einen langjährigen Partner, zu dem man Vertrauen auf­bauen kann. Das ist für mich das Wichtigste. Bei diesem Thema kommen so viele persönliche Dinge auf den Tisch, ein rein sachlicher und nüchterner ­Experte für Finanz-, Steuer- und Vertragswesen reicht hier nicht aus.

Besser ist es, auch dies dem Mentor zu überlassen, er sollte das Know-how besitzen, für das jeweilige Unternehmen die passenden Partner zu finden bzw. wenn bereits vorhanden, für eine entsprechende Kommunikation zu sorgen.

Zudem ist der Generationenwechsel ­keine Sache, die in ein paar Monaten zu erledigen ist. Es braucht ein langsames Einschleichen des Prozesses; bis dieser abgeschlossen und entsprechende Nachwehen beseitigt sind, gehen schnell zwei Jahre ins Land.

www.schritt-werk.de

Führungskompetenzen im Überblick

Personale Kompetenz:Charisma, Vorbildfunktion, leistungsorientierter, hoher Anspruch, Loyalität, Gerechtigkeitssinn.
Handlungskompetenz:Projektarbeit, Risiko, stärkend durch Widerstand, dynamisch, Hang zu Überforderung und Druck.
Fach- und Methodenkompetenz:Probleme lösend, sachorientiert, verlässlich, analytisch, Zusammenhänge erfassend, kritisch, beharrlich.
Sozial-kommunikative Kompetenz:hohe Intention, Bedürfnisse anderer berücksichtigen, konfliktvermeidend, Altruismus.