In aller Munde: „Tatsächlich erforderliche Kosten“

Rechtsanwalt Dr. Hendrik Hunold ist auch ­Fach­anwalt und Lehrbeauftragter für Bau- und ­Architektenrecht sowie Mediator. – © HF+P legal

Ursprüngliche Kalkulation und tatsächlich entstandene Kosten weichen in der Praxis nicht selten voneinander ab. Wie muss der SHK-Unternehmer in solchen Fällen seine Nachtragsvergütung berechnen? Und wie muss er die „tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge“ aufbereiten, also seinem Auftraggeber darlegen? Ein Überblick über die aktuelle Rechtslage zum Thema.

Der ein oder andere kennt eventuell noch die Faustformel „guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis“. Sie wurde herangezogen, um die Preise für geänderte Leistungen bei Vereinbarung der VOB/B zu ermitteln. In § 2 Abs. 5 VOB/B heißt es hierzu: „… ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren“. Ähnlich formuliert es § 2 Abs. 3 Nr. 2 und 3 VOB/B, wenn es um eine um mehr als 10 % betragende Über- oder Unterschreitung des Mengenansatzes geht. Und hierüber streiten die Geister: Was bedeutet diese Formulierung? Auf die Praxis bezogen: Wie muss der SHK-Unternehmer seine Nachtragsvergütung in solchen Fällen berechnen?

Ursprüngliche Kalkulation

Bisher musste der Auftragnehmer seine Vertragspreise und ihre Einzelbestandteile fortschreiben; Grundlage musste seine ursprüngliche Kalkulation sein. Der Auftragnehmer – und damit der SHK-Unternehmer – war daher an seine angebotenen und beauftragten Einheitspreise selbst dann gebunden, wenn er sich verkalkuliert hatte (z. B. OLG Brandenburg, Urteil 25. November 2015, 4 U 7/14).

Der BGH hat nun bereits 2019 entschieden, dass die Formulierungen anders zu verstehen sind als eingangs dargestellt, vor allem, wenn man sich nicht über einen neuen Preis einigen kann (Urteil 8. August 2019, VII ZR 34/18): § 2 Abs. 3 VOB/B enthalte keine Regelung, wie der Preis zu berechnen ist. Diese Lücke sei durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. In der Regel ergibt sie, dass die Parteien eines VOB/B-Bauvertrages für die Berechnung auf die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge abstellen. Eines Rückgriffs auf die ursprüngliche Kalkulation bedarf es nicht mehr. So wird ein Ausgleich der wechselseitigen Interessen erreicht: Keine Partei soll zum Nachteil der anderen profitieren. Dies spiegelt im Übrigen auch der seit 1. Januar 2018 neu geltende § 650c Abs. 1 BGB wider. Daran schließt sich die nächste Frage an: Wie muss der SHK-Unternehmer die „tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge“ aufbereiten, also seinem Auftraggeber darlegen?

Kosten – erste Leitplanken

Hierzu hat das OLG Koblenz einige erste – rechtliche – Leitplanken aufgestellt (Beschluss 20. Juni 2022, 1 U 2211/21):

1. Der Auftragnehmer hat die tatsächlich erforderlichen Kosten schlüssig – also leicht und vor allem korrekt nachvollziehbar! – darzustellen.

2. Kann oder will er das nicht, kann er auf Marktpreise abstellen. Allerdings erfordert dies eine substanziierte – und damit detaillierte – Darstellung der zum Zeitpunkt der Bauausführung geltenden Marktpreise.

3. Baustellenbezogene Gemeinkosten können nicht als Zuschlag, sondern nur nach tatsächlichen Kosten angesetzt werden.

4. Soweit allgemeine Geschäftskosten abgerechnet werden, ist dies grundsätzlich über angemessene Zuschläge möglich. Allerdings kann die Angemessenheit des Zuschlags nicht mit dem Verweis auf die Kalkulation des Auftragnehmers begründet werden.

Eine konkrete Berechnungsformel lässt sich dieser Entscheidung allerdings nicht entnehmen. Das Kammergericht ließ allerdings folgenden, grob dargestellten Berechnungsmodus zu (Urteil 10. Juli 2018, 21 U 30/17): Maßgeblich ist die Differenz zwischen den Kosten, die dem Auftragnehmer tatsächlich aufgrund der Leistungsänderung entstanden sind, und denjenigen, die ihm tatsächlich entstanden wären, wenn die Leistung nicht  geändert worden wäre. Diese Differenzkosten können entweder zu dem ursprünglichen Einheitspreis addiert oder im Fall von Minderkosten in Abzug gebracht werden. Annähernd so hat es auch das OLG Frankfurt zu_gelassen (Urteil 21. September 2020, 29 U 171/19).

Fazit

Beide Seiten – Auftraggeber und SHK-Unternehmer – sollten vereinbaren, wie Leistungsänderungen zu vergüten und wie sie vom SHK-Unternehmer darzulegen sind. Dies gilt speziell in Fällen, in denen sie die VOB/B zur Vertragsgrundlage machen möchten. Dies vermeidet Streit  – vor allem, da bisher gerichtlich nicht verlässlich geklärt ist, wie die „tatsächlich erforderlichen Kosten samt angemessener Zuschläge“ darzustellen sind. Und von der Faustformel „guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ muss man sich leider verabschieden – auch wenn man es gegebenenfalls stets so gehört oder angewandt hat.

www.hfp-legal.de