„Kein Gesundstoßen mehr“ – fiktive Mängelbeseitigungskosten?

Rechtsanwalt Dr. Hendrik Hunold ist auch ­Fach­anwalt und Lehrbeauftragter für Bau- und ­Architektenrecht sowie Mediator. – © HF+P legal

Fast jeder SHK-Unternehmer sieht sich ggf. mit einer Forderung seines Kunden auf Schadensersatz konfrontiert. Oft steht die Forderung im Raum, die Anlage oder Teile müssen komplett aus- und neu eingebaut werden. Dies kann hohe Beträge erreichen. Hierzu hat sich 2018 die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geändert (BGH-Urteil, 22.02.2018 — VII ZR 46/17).

Diese Entscheidung ist höchst praxisrelevant. Stellen wir uns folgende Konstellation vor: Der SHK-Unternehmer hat einen Auftrag für den Einbau einer edlen Badeinrichtung erhalten. Vor allem der WC-Deckel ist ein hochwertiges Modell A. Der SHK-Unternehmer bestellt allerdings Modell B. Modell B wird montiert, ist allerdings von Optik, Funktion und Wert nahezu gleich, nur von einem anderen Hersteller.

Rechtlich weicht der SHK-Unternehmer durch den Einbau des Modells B von der vereinbarten Beschaffenheit A ab: Es liegt also ein Mangel vor. Der Kunde fordert zur Nachbesserung auf. Der SHK-Unternehmer denkt: Die Mängelbeseitigung sei „unverhältnismäßig“, er müsse ihr nicht nachkommen. Modell A und B seien gleichwertig, ein „Kinkerlitzchen“. Die Frist zur Mängelbeseitigung verstreicht ergebnislos. Folge ist: Der Kunde kann Schadensersatz verlangen. Grundsätzlich bedeutet dies: Er ist so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten, d. h. WC-Deckel B aus- und WC-Deckel A einbauen – und das kostenlos.

Fiktive Schadenbeseitigung durch Kunden

Bis 2018 konnte der Kunde die fiktiven Mängelbeseitigungskosten vom SHK-Unternehmer verlangen. Mit anderen Worten und zur Veranschaulichung: Der Kunde ließ sich ein Angebot des geschäftstüchtigen SHK-Unternehmers — nennen wir ihn „Dagobert D.“ — ausarbeiten. Dies übersandte er dem SHK-Unternehmer mit der Bitte um Zahlung (einräumen muss man: Ersetzt wurden und werden nur Arbeiten und Kosten, die technisch erforderlich sind, um die Mängel zu beseitigen). Der Kunde konnte also alle Kosten für einen Aus- und Einbau, Entsorgung des alten Deckels etc. verlangen — hier kamen schnell hohe Beträge zusammen.

Doch der Kunde hat einen wirtschaftlich gleichwertigen und funktionalen WC-Deckel!? Lässt alles, wie es ist und bekommt noch Geld? Und verlangt man Schadensersatz, ist man nicht verpflichtet, das Geld zur Schadenbeseitigung einzusetzen; man kann nach Belieben damit verfahren. Für unseren Beispielfall bedeutet dies: Der Kunde ist bessergestellt als ohne das schädigende Ereignis. Er hat einen gleichwertigen WC-Deckel und Geld — im Ergebnis hat er den WC-Deckel kostenlos erhalten.

Schadensersatz: Neue Rechtsprechung

Neue Rechtsprechung: Das hat der BGH 2018 erkannt und ein für den Werk- und SHK-Unternehmer freundlichere Rechtsprechung eingeführt. Danach wird der Schaden nun wie folgt bewertet: Der Kunde, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann den Schaden in der Weise berechnen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Anders gewendet: Was ist das WC-Deckel-Modell B im Verhältnis zum Modell A weniger wert.

Nur wenn der Kunde die Arbeiten, hier z. B. das Haus, in dem die Sanitär- und Badeinrichtung eingebaut ist, verkauft wird, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann der Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels bemessen werden. Das bedeutet: Er muss vorrechnen, was der Käufer ihm wegen des Mangels am WC-Deckel weniger an Kaufpreis bezahlt hat. In unserem Beispiel wäre der Schaden ggf. o Euro, da es sich um gleichwertige WC-Deckel handelt.

Fazit

Schadensersatzforderungen sind möglicherweise überhöht, v. a. wenn auf Grundlage von Angeboten zur Mängelbeseitigung vorgegangen wird. Natürlich besteht nach wie vor das Recht des Kunden, Nacherfüllung zu verlangen oder die tatsächlichen Mängelbeseitigungskosten geltend zu machen. Letzteres geht nur über den Ersatz der Kosten für eine Selbst- oder Ersatzvornahme. Dann muss der Kunde das Geld für die Beseitigung des Mangels einsetzen und über die Verwendung des Geldes gegenüber dem SHK-ler abrechnen. Überschüsse sind also zurückzubezahlen — bei Unterdeckung muss der SHK-Unternehmer nachschießen. Doch wenn der Kunde nicht den Aufwand einer Mangelbeseitigung betreiben möchte, ist ein „Gesundstoßen“ nicht mehr möglich.

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