Neues zum Widerrufsrecht: Jetzt spricht der EuGH!

Widerrufsrecht
Rechtsanwalt Maximilian Gawlik ist vorwiegend im Bereich des privaten Baurechts tätig. – © HF+P legal

Bei jedem Vertrag, der außerhalb von Geschäftsräumen des HLSK-Unternehmers mit einem Verbraucher geschlossen wurde oder der mit einem Verbraucher über Fernkommunikationsmittel (E-Mail, Telefon, Fax) zustande gekommen ist, steht dem Verbraucher ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Und ­damit nicht genug.

Der HLSK-Unternehmer hat in diesem Fall gesetzliche Informationspflichten. Er muss so z. B. den Verbraucher auf das Bestehen seines Widerrufsrechts hinweisen.Gerade für den HLSK-Unternehmer haben diese Regelungen eine hohe Bedeutung: Viele Verträge werden ­direkt vor Ort beim Kunden abgeschlossen – und damit eben „außerhalb der Geschäftsräume“.

Widerrufsfrist bis zu einem Jahr

Die Folgen des Verbraucherrechts sind gravierend .Erklärt der Verbraucher fristgerecht den Widerruf, erhält der HLSK-Unternehmer keinen Werklohn. Selbst dann, wenn er seine Werkleistungen schon vollständig ­erbracht hat. Davon gibt es nur eine Ausnahme: Wenn der Unternehmer den Verbraucher vor Ausführungsbeginn darauf hinweist, dass er im Falle des Widerrufs für die erbrachten Leistungen einen Wertersatz erhält. Weist der HLSK-Unternehmer gar nicht erst auf das Widerrufsrecht hin, beträgt die Widerrufsfrist sogar ein Jahr!

Ob das europäische Verbraucherrecht, aus dem die deutschen Gesetze resultieren, wirklich so scharf sind, wollte jetzt das Landgericht Essen wissen. Zugrunde lag folgender Fall: Im Oktober 2020 schließen ein Verbraucher und ein Bauunternehmen einen mündlichen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstal­lation seines Hauses. Dabei klärt das Unternehmen den Verbraucher nicht über das Widerrufsrecht auf. Nachdem alle Leistungen erbracht sind, stellt das Unternehmen schließlich die entsprechende Rechnung im Dezember 2021. Der Verbraucher bezahlt nicht und erklärt dann im März 2021 den Widerruf des Vertrages. Das Unternehmen klagt auf Zahlung.

Und der EuGH?

Das Landgericht Essen, das den Fall zu entscheiden hat, weiß um die scharfen Regelungen des Verbraucherschutzrechtes, die auf eine Richtlinie der Europäischen Union zurückgehen. Das Gericht möchte nun vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen, ob die Um­setzung dieser Richtlinie wirklich ­dazu führt, dass ein Bauunternehmer komplett leer ausgeht, wenn er zwar sämtliche Leistungen erbracht hat, aber nicht auf das Widerrufsrecht hingewiesen hat.

Und der EuGH? Der bestätigt: Ein Verbraucher muss dem Unternehmer Wertersatz für die erbrachten Leistungen ­bezahlen, wenn der Verbraucher verlangt hat, dass der Unternehmer noch vor Ablauf der Widerrufsfrist mit seinen Arbeiten beginnt. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Unternehmer den Verbraucher auf diese Wertersatzpflicht ausdrücklich hingewiesen hat. Hat er das nicht, gibt es für ihn keinerlei Werklohn. Er hat seine Leistungen dann „umsonst“ erbracht.

Ziel der Richtlinie ist es nämlich, dass der Verbraucher, der außerhalb von Geschäftsräumen typischerweise nicht mit einem Vertragsabschluss rechnet, nicht übertölpelt oder gar psychisch unter Druck gesetzt wird, einen für ihn nachteiligen Vertrag abzuschließen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Verbraucher den Besuch des Unternehmers selbst veranlasst hat oder nicht. Um dieses Ziel umzusetzen, ­
ist es notwendig, den Verbraucher von sämtlichen Vergütungsverpflichtungen freizustellen.

Fazit

Das europäische Verbraucherrecht zeigt sich erneut als scharfes Schwert und birgt für den HLSK-Unternehmer nicht nur tückische Fallstricke – für den Unternehmer kann die Missachtung der verbraucherschützenden Gesetze zum existenzbedrohenden Risiko werden. Bei jedem Vertrag, der mit privaten Auftraggebern nicht in den Geschäftsräumen des HLSK-Unternehmers geschlossen wurde, sollte der Vertragspartner über die Verbraucherrechte aufgeklärt werden. Muster-Formulare sind im Gesetz selbst (Anlagen 2 und 3 zu Art. 253 EGBGB) oder z. B. auf den Seiten der IHK’en zu finden.

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