Zum Jahresende nahmen Avacon und der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) die Wasserstoff-Beimischanlage in Schopsdorf, Sachsen-Anhalt, in Betrieb. Das Gemeinschaftsprojekt soll zeigen, dass es technisch möglich ist, Wasserstoff zu einem deutlich höheren Prozentsatz als bislang vorgesehen in ein Gasnetz einzuspeisen.
Eine Woche vor Heiligabend haben Avacon–Technikvorstand Stephan Tenge und DVGW–Vorstandsvorsitzender Gerald Linke gemeinsam mit Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze offiziell den Betrieb der neuen Anlage eingeläutet. In einem Teilnetz im Raum Fläming werden damit in der kommenden Heizperiode dem Erdgas stufenweise bis zu 20 % Wasserstoff zugefügt werden. Das ist deutlich mehr, als in den technischen Regeln des DVGW bislang vorgesehen war.
Ergebnisse sind übertragbar
Für das Projekt dient ein Netzabschnitt im Gasverteilnetz von Avacon im Jerichower Land in Sachsen-Anhalt. Dieser eignet sich vor allem deshalb, weil die dort verbaute Netzinfrastruktur repräsentativ für das gesamte Avacon-Gasverteilnetz ist. Somit sind die Ergebnisse übertragbar. Bei dem Netzabschnitt handelt es sich um ein Mitteldruck-Verteilnetz mit rund 35 km Leitungslänge. Dieses versorgt in etwa 350 Netzkunden mit Erdgas. Mit der entsprechenden Menge an Gasgeräten, die vor allem zur Wärmeversorgung dienen, deckt das ausgewählte Netzgebiet eine breite Gerätetechnik ab.
Gasinstallationen positiv bewertet
Im ersten Projektabschnitt wurden in Zusammenarbeit mit dem Gas- und Wärme-Institut Essen (GWI) und den Gasgeräteherstellern alle bei den Kunden verbauten Gasgeräte erfasst und sowohl betriebs- und sicherheitstechnisch als auch auf Wasserstoffverträglichkeit überprüft. Insgesamt bewerteten die Verantwortlichen die bislang erhobenen Gasinstallationen mit den Gasgeräten fast zu 100 % positiv. Lediglich vier nicht geeignete Geräte mussten modernen wasserstofftauglichen Neugeräten weichen. „Wir freuen uns sehr, dass wir die involvierten Kundinnen und Kunden zur Teilnahme gewinnen konnten und danken allen Beteiligten für ihre Bereitschaft und der Kommunalpolitik für ihre engagierte Unterstützung“, bedankte sich Tenge bei Landrat Steffen Borchardt und den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden.
Wasserstoff-Beimischphase beginnt
Mit der Inbetriebnahme der Beimischanlage beginnt nun im nächsten Projektabschnitt die tatsächliche Beimischphase. Die Einspeisung von Wasserstoff ist über die zwei Heizperioden 2021/22 und 2022/23 in Stufen von 10 %, 15 % und 20 % Wasserstoffbeimischung geplant. Mit der Inbetriebnahme startet das Projekt mit einer Beimischung von 10 % Wasserstoff über etwa vier Wochen. Damit bewegt sich der Anteil noch in der durch das DVGW-Regelwerk gedeckten Beimischungshöhe. Bei rund einem Drittel der Gasgeräte werden Stichprobenmessungen bezüglich der Verbrennungsgüte mit Messungen des tatsächlichen Wasserstoffgehalts vor Ort durchgeführt. Dies dient der wissenschaftlichen Begleitung des Projekts bei allen Einspeisestufen.
Schrittweise Steigerung
Schrittweise wird die Beimischung um 5 % bis maximal 20 % angehoben. Die 15-%-Beimischphase ist für das erste Quartal 2022 geplant. Nach einer Auswertung soll die Zielkonzentration von 20 % Wasserstoff zum Abschluss der Heizperiode stehen. Eine weitere 20-%-Einspeisephase folgt in der Heizperiode 2022/23 über mehrere Wochen. Neben einer möglichst gleichförmigen Beimischung sind auch volatile Einspeisungen vorgesehen, um die Effekte von schwankenden Wasserstoff-Gehalten im Bestand zu untersuchen.
„Sachsen-Anhalt nimmt beim Thema ‚Wasserstoff‘ bereits jetzt eine Vorreiterrolle ein, auf die wir sehr stolz sein können“, sagt Wirtschafts- und Landwirtschaftsminister Sven Schulze. „Im mitteldeutschen Chemiedreieck sind sowohl große Wasserstoffverbraucher als auch eine entsprechende Wasserstoffinfrastruktur vorhanden. Den Aufbau einer CO2-freien Wasserstoffwirtschaft sehen wir als Chance für eine gute wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Durch die Etablierung neuer Wertschöpfungsketten können hochwertige Arbeitsplätze gesichert und neu geschaffen werden. Daher bewerte ich das Gemeinschaftsprojekt von Avacon und dem DVGW sehr positiv“, so Minister Schulze weiter.
Fit für Wasserstoff
„Wasserstoff wird eine wichtige Säule von Energiewende und Klimaschutz. Nur wenn wir alle verfügbaren grünen Energieträger in allen Bereichen nutzen, werden wir die Klimaziele erreichen„, sagte Avacon-Technikvorstand Stephan Tenge. „Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung sehen wir großes Potential bei der Umstellung der Gasnetze auf Grüne Gase. Mit innovativen Projekten wie diesem wollen wir demonstrieren, dass unsere Netze Grünes Gas sowohl effizient als auch in relevanten Mengen aufnehmen können. Damit unterstreichen wir den nachhaltigen Wert der Verteilnetze als Schlüssel für eine CO2-freie Energieversorgung“, ergänzte er.
„Auch der kürzlich von SPD, Grünen und FDP vorgelegte Koalitionsvertrag verdeutlicht, welchen bedeutenden Stellenwert die zukünftigen Bundesregierung Wasserstoff bei der Transformation der Energieversorgung in Deutschland beimisst”, so Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW. „Mit unserem Gemeinschaftsprojekt demonstrieren wir in der Praxis, dass die vorhandene Gasinfrastruktur ebenso wie die Mehrzahl der Anwendungen fit für Wasserstoff ist und damit ein unverzichtbares Asset, um Deutschland erfolgreich in eine Wasserstoffwirtschaft zu führen und das Land klimaneutral zu machen.“