Alltag statt Labor

Fernseher verbrauchen unter alltagsnahen
Bedingungen mehr Strom als im Labor.
Bild: Si, Adobe Stock | Jérôme Rommé

Im Sommer hat das Ergebnis einer ­Studie mehrerer europäischer Umweltschutzorganisationen den Pfiffikus verunsichert: Denn er hat gelesen, dass viele Haushaltsgeräte zuhause im Alltag deutlich mehr Strom verbrauchen sollen, als von den Herstellern angegeben. Beim Kauf seines neuen Fernsehers wurde dem Pfiffikus in einem Geschäft versprochen, dass das ausgewählte TV-Gerät nicht nur smart und das Bild ultra-hochauflösend ist, sondern auch noch wunderbar sparsam läuft.
Um den Energieverbrauch von Fern­sehern anschaulich darzustellen, führte die EU-Kommission 2011 die so genannte Energieverbrauchskennzeichnung ein, die neben der Effizienzklasse des Fernsehers auch den Jahresstromverbrauch, die Leistungsaufnahme und die Bilddiagonale angibt – aber auch, ob das Gerät überhaupt einen echten Ausschalter besitzt. An diesem Label hat sich der Pfiffikus vor dem Kauf orientiert und er wählte das Produkt mit der Verbrauchsnote A++. Das Beste, das gerade am Markt verfügbar ist. Mit Blick auf seinen Stromverbrauch zuhause könnten diese Informationen aber unter Umständen wenig erhellend gewesen sein – wie er nun befürchtet.
Denn laut der Studie der europäischen Umweltverbände CLASP, Ecos, EEB und Topten ziehen Haushaltsgeräte im täg­lichen Gebrauch viel mehr Strom, als der Hersteller verspricht. Sobald der Pfiffikus die Bildschirmeinstellung an seinem neuen Fernseher ändert, ein ­Video in Ultra-HD abspielt oder die neuste Version des Betriebssystems lädt, steigt sein Stromverbrauch unter Umständen drastisch an. Das war dem ­Pfiffikus bislang gar nicht bewusst. Aber etwas dagegen unternehmen, kann er auch mit diesem Know-how nicht.
Mit aktualisierter Software und beim Abspielen ultra-hochauflösender Inhalte liegt der Stromverbrauch bei manchen TV-Modellen laut der Studie um durchschnittlich ein Drittel über den Herstellerangaben. Und der Pfiffikus hat zudem gelernt: Trotz der erheblichen Differenzen steckt hinter den meisten Fällen kein Betrug. Vielmehr hat das scheinbar eindeutige System mit seiner Skala von A+++ bis G seine Tücken, wie die Umweltorganisationen nun offengelegt ­haben:
Die Hersteller müssen für viele Geräteklassen die Energieeffizienz ihrer Produkte messen und ausweisen. Die je­weiligen Grenzwerte werden zwar von der EU-Kommission vorgegeben, die genauen Bedingungen für die Messungen wurden aber zwischen Industrie, Behörden und Verbrauchervertretern abgestimmt und in internationalen Normen festgeschrieben. Hauptziel solcher Prüfstandards ist dabei offenbar nicht, den Alltag möglichst getreu nachzubilden, sondern vergleich- und wiederholbare Ergebnisse zu liefern. Das bedeutet: Gleichgültig wer misst oder wo. Stets sollen für das gleiche Modell dieselben Werte herauskommen, denkt sich der Pfiffikus und schüttelt den Kopf. Daher verbrauchen Fernseher – wie auch Kühlschränke und Geschirrspüler in der ­Studie – unter alltagsnahen Bedingungen stets mehr Strom als im Labor.
Was ist nun hilfreicher für den Endkunden, fragt sich der Piffikus: Das Energie­effizienzlabel für Fernseher oder das ihm vertraute Label für neue Heizungen? Er ist sich nicht sicher, welches Label mehr Transparenz bietet. Klar ist ihm jedoch: Das Heizungslabel ist derart grob eingeteilt, dass es den Verbraucher ohnehin nur bei der Entscheidung für eine bestimmte Technik unterstützen kann. Informationen für eine gute Entscheidung zwischen mehreren Heizgeräten enthält es nicht.

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