Weihnachten mit Leila und Bassam

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Ich kenne eigentlich keinen Handwerksbetrieb, der nicht Nachwuchs sucht, grübelt der Pfiffikus über die eigene ­Misere. Dass gleichzeitig Jugendlichen in Flüchtlingsunterkünften die Decke auf den Kopf fällt, ist da nur schwer zu ertragen. Lange hatte der Pfiffikus mit sich gerungen: Er war skeptisch, einen Flüchtling in seinen Betrieb aufzunehmen. Er wusste nicht, was ihn erwartet und befürchtete hohen bürokratischen Aufwand. Die Entwicklung hatte er in der Zeitung verfolgt: Zuerst brach in der Branche eine Euphorie aus, als sich einige Betriebe mit Engagement, Ideen, Praktika und Coachingprojekten für ­junge Flüchtlinge einsetzten. Dann ­folgte eine Zeit, in der von Misserfolgserlebnissen berichtet wurde. Vom Frust über die aufenthaltsrechtliche Thematik hörte er sogar von Kollegen aus der Region: Wenn man sich engagiert, und dann sieht, dass der Neue nicht weitermachen oder die Ausbildung nicht beginnen kann. Es ist traurig, erleben zu müssen, wenn Betriebe einen Mitarbeiter verlieren, weil er abgeschoben wurde oder er keine Arbeitserlaubnis erhalten hat, denkt sich der Pfiffikus. Ihm ist klar, dass die Regelungen zur Arbeitserlaubnis für Asylbewerber und Unternehmer gleichermaßen verwirrend sind. Er weiß, dass so manche Ungleichbehandlung durch Ermessensentscheidungen der Ausländerbehörde kaum nachvollziehbar ist. Er hat davon gelesen, dass so manche Behörde nicht zulässt, dass Handwerksbetriebe Flüchtlinge aus ­Nigeria oder Afghanistan einstellen. Deshalb hat der Pfiffikus über das Jobcenter Kontakte geknüpft und sich bewusst entschieden: für junge Flüchtlinge aus Ländern mit hoher Bleibeperspektive, die einen uneingeschränkten Zugang zu Ausbildung und Arbeit haben.
Seine zwei Nachwuchskräfte heißen Bassam aus Syrien und Leila aus dem Iran. Für beide hat er eine gute Wohnform organisiert. Er ist überzeugt, dass Integration noch besser gelingt, wenn wir auch die Frauen erreichen. Der ­syrische Junge wollte erst nur einen ­Helferjob annehmen, sofort Geld ver­dienen und es an seine Familie schicken. Aber der Pfiffikus ermunterte ihn, langfristig zu denken. Das iranische Mädchen war leichter davon zu überzeugen, welche Chancen und Perspektiven eine duale Ausbildung bieten kann.
Es hat gedauert, bis Bassam einen kräftigen Handwerker-Händedruck gelernt und auch Leila mehr Selbstvertrauen­ ausgestrahlt hat. Beide haben gute ­Voraussetzungen: Sie sprechen schon etwas Deutsch und können die Sprache nun im Beruf erlernen. Die Zwei haben Glück, dass sie in ihrem Herkunftsland in einer Schule waren und nicht von ihren Fluchtgeschichten traumatisiert sind. Jetzt beobachtet der Pfiffikus mit Freude: Natürlich binden seine Schützlinge Kraft im Betrieb, aber sie sind auch eine Bereicherung. Die jungen Mitarbeiter sind fleißig, weil sie ein Ziel haben und etwas erreichen wollen.
„Integration ist harte Arbeit“, titelte der ZVSHK im April 2016 zur Flüchtlings­thematik. Das kann der Pfiffikus inzwischen bestätigen. Er ist harte Arbeit gewohnt, wie auch seine Mitarbeiter. Zum Jahres­ende freuen sich daher alle auf die gemeinsame Weihnachtsfeier – nicht nur Leila und Bassam. Auch Tarek freut sich auf das gemeinsame Essen in der warmen, geschmückten Werkstatt. Der Türke begann hier vor 25 Jahren als Hilfsarbeiter. Tarek sprach damals kein Deutsch und ist heute mein bester Mann, frohlockt der Pfiffikus.
Übrigens: Allein das Münchner Jobcenter hat in seiner Kartei derzeit etwa 10.250 anerkannte Flüchtlinge, die arbeiten wollen. Rund 1.200 Flüchtlinge haben 2017 eine Lehre in Oberbayern begonnen. Und auch wenn so mancher Pessimist behauptet, deren Abbrecherquote sei besonders hoch. Im Gegenteil, sagt die IHK: in den oberbayerischen Betrieben brechen insgesamt 20 % der Azubis ihre Lehre ab, unter den Flüchtlingen sind es nur 18 %.

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